SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

 

„Einer trage des anderen Last…“ – Zumindest unter christlich geprägten Menschen ist das ein geflügeltes Wort. Die Last anderer zu tragen, ist vielleicht zunächst einmal gar keine so gute Idee. Hat nicht jeder sein eigenes Päckchen zu tragen? Und geht das überhaupt: eines anderen Last abnehmen?

Ich erinnere mich an eine Erfahrung während eines Pilgerwegs – eine kleine Übung, der wir uns unterziehen wollten: Nach drei Tagen Pilgerweg mit dem eigenen Rucksack auf dem Rücken stand bei einer Morgenandacht das Thema „Lasten tragen“ im Mittelpunkt. Die übliche Erfahrung beim Pilgern ist die, dass man immer zu viel einpackt und mitnimmt. Erst mit der Zeit kommt man zur Einsicht, wie wenig man wirklich braucht. Und dann geht es ans Ausmisten: Dinge, die eigentlich unnötigerweise mitgeschleppt werden, sortiert man aus, lässt sie in Pilgerherbergen zurück, entsorgt sie. Eine Einsicht, die übrigens nicht nur beim Pilgern, sondern auch sonst auf Lebenswegen bedeutsam sein kann.

Doch zurück zu jener kleinen Übung: Nach drei Tagen Pilgern hat man sich mit seiner Last, mit seinem Rucksack auf dem Rücken ganz gut arrangiert. Bei unserer Übung damals sind wir am dritten Tag eine kleine Strecke mit getauschten Rucksäcken gelaufen. Das Resultat war einhellig: Alle fanden, dass ihr „eigener Rucksack“ sich am besten anfühlt. Offenbar können wir uns mit unseren Lasten arrangieren – ein Stück weit jedenfalls.

Und dennoch gibt es die Erfahrung, dass Lasten zu schwer werden für einen selbst – nicht nur körperlich. Gerade bei Belastungen, die auf die Seele drücken, kann man nicht einfach den Rucksack kleiner oder leichter machen. Aber man kann „auspacken“ – im wahrsten Sinn des Wortes. Man kann das, was einem selbst zu schwer wird, jemand anderem anvertrauen, ihn bitten, es mitzutragen, und sich selbst dadurch erleichtern.

Auch hier hat mir das Pilgern eine ganz praktische und zugleich tiefsinnige Erfahrung beschert: In unserer Gruppe hatte sich eine Teilnehmerin unterwegs am Fuß verletzt. Nichts Dramatisches, aber es genügte, um zu erkennen: mit dem Rucksack auf dem Rücken geht es nicht mehr weiter – heute zumindest nicht. Wir haben dann ihren Rucksack für den Rest der Etappe übernommen. Jeder aus der Gruppe hat ihn ein Stück des Weges getragen – alleine, vorn um den Bauch geschnallt, zu zweit an den Schlaufen, wie auch immer – und ihr so eine Last abgenommen. Und so ließ es sich weitergehen – gemeinsam.

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