SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Trauung in der Kaiserslauterer Stiftskirche. Die Gemeinde samt Brautpaar schaut mich erwartungsvoll an. Ich begrüße alle. Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Und in diesem Moment erhebt sich links oben eine Taube von einem Vorsprung und flattert gelassen durch das Kirchenschiff. Alle müssen lächeln, besser hätte man es nicht planen können.

Eigentlich mag ich ja keine Tauben. Sie flattern, nisten und gurren rund um unsere Kirche. Mit einer Menge hässlicher Begleiterscheinungen. „Ratten der Lüfte“, sagen manche verachtungsvoll. Und ich verstehe, was sie meinen, wenn ich die bekleckerten Sandsteinsimse unserer Kirche betrachte. Und dennoch tut man damit der Taube Unrecht.

In der Bibel spielt die Taube durchweg eine positive Rolle. Sie bringt Noah den erlösenden Olivenzweig, der von neuem Leben nach der verheerenden Sintflut zeugt. Und bei der Taufe Jesu zeigt sich Gottes heiliger Geist in Form einer Taube, die vom Himmel kommt. Die Taube ist seit der Antike Zeichen für Frieden und Versöhnung, für Gottes guten Geist. Deshalb findet man ja in Kirchen so viele Bilder von Tauben.

Aber nun sitzt da eine in echt. Legt leicht den Kopf auf die Seite und putzt ihr Gefieder. Und während die Sängerin von Liebe singt, betrachte ich die Taube und überlege, ob sie nicht vielleicht wirklich ein Wink des Himmels ist. Könnte ja sein. Zumindest ist sie ein Geschöpf Gottes. Das uns hier in dieser Kirche gerade zum Lächeln gebracht hat.

Tauben lieben werde ich vermutlich nie. Aber ich könnte ihnen ja mit etwas mehr Respekt begegnen. Die Tauben-Großfamilie rund um unsere Kirche werden wir umsiedeln. Da hat jeder etwas davon. Menschen und Tiere sollen ihren je eigenen Platz in dieser Welt haben. Und als hätte die Taube meine Gedanken gelesen, fliegt sie los und flattert geradewegs durchs Hauptportal unserer Kirche ins Freie.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27243
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