Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Ralf ist in der DDR groß geworden. Ich habe ihn in der Weinbruderschaft der Pfalz kennengelernt.

26 Jahre lang hat er die DDR erlebt. Es ist hoch interessant, wie er aus dieser Perspektive unsere Gesellschaft sieht. Ihm fällt manches Positive auf, was für uns allzu selbstverständlich ist, weil wir es nicht anders kennen. Er aber schon. Er hat mir ein Schlüsselerlebnis erzählt.

In der DDR sagten alle in den Ämtern und bei der Polizei: „Bürger, kommen Sie!“ Keine Anrede mit Namen. Beim Wehrdienst hieß er „Genosse Soldat!“; auf der Uniform gab es auch kein Namensschild. Nie wurde jemand mit Namen angesprochen, sondern alle gleich – gleich anonym, gleich unpersönlich. Weil in der klassenlosen Gesellschaft alle gleich sein sollten. Deshalb wurde alles Individuelle eingeebnet.

Im Nachhinein sagt Ralf: „Das war eine schleichende Entpersönlichung, eine fortwährende Entmündigung.“ Das ist ihm aber erst bewusst geworden, als er das Gegenteil erlebt hat. Gleich 1989 in der deutschen Botschaft in Algier. Da steht er einem Beamten gegenüber – und der sagt freundlich zu ihm: „Hallo, Herr Gaggermeier.“ Zum ersten Mal erlebt er, dass er selbst, er persönlich gemeint war, dass er mit seinem Namen angesprochen wird: „Ich war auf einmal der Ralf Gaggermeier - das war für mich der absolute Hammer!“

Und auch danach hat er es bei den Behörden so erlebt. Diese Kontrasterfahrung hat ihn gelehrt: „Dieser Staat achtet den Menschen extrem. Er nimmt den Einzelnen als diese einmalige Person ernst.“

Das hat ihn geprägt. Ihm ist für sein Leben wichtig geworden: „Ich möchte jeden einzelnen Menschen als ihn selbst achten und wertschätzen.“

Das kommt gerade dann zum Ausdruck, wenn jemand mit seinem Namen angesprochen wird.Deshalb beginnt jede Taufe auch damit, dass die Eltern nach dem Namen gefragt werden, den sie ihrem Kind gegeben haben. Den sagen sie dann laut – in der Hoffnung, dass alle ihr Kind als diese einmalige Person achten und annehmen, die es ist.

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