SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Wenn Leute ausfallend werden – fremdenfeindlich – also menschenfeindlich - verunsichert mich das. Wie reagieren? Was sagen? Mir fehlen oft die Worte. Neulich war das so –  an der Kasse im Supermarkt: Vor mir ein Paar – vom Aussehen südlicher Herkunft – Ausländer mit einem vollen Einkaufswagen. Hinter mir ein Mann mit ein paar Lebensmitteln auf dem Förderband. Die Frau bietet ihm an: „Sie können vor!“ Doch er winkt ab. Und dann lästert er los. Erst murmelt er nur vor sich hin. Dann wird er laut, abschätzig in Richtung des Paares: „Sind wir hier noch in Deutschland?“ „Sind wir hier noch in unserem Land.“ „Die können´s sich leisten.“ Die Frau verdreht die Augen. Sie versteht. Ich schüttle den Kopf und signalisiere, dass das für mich voll daneben ist.

Aber, was sage ich? Jetzt ist doch so ein Augenblick, wo es darauf ankommt, den Mund aufzukriegen.Was diesem Fremdenhass entgegenhalten? Ihn als »Rassist« beschimpfen?
Das passt nicht zu mir. Ich dachte auch bisher, das hilft nicht weiter - das beschützt die Angegriffenen nicht wirklich. Aber ich muss doch klare Kante zeigen. Nur wie?

Ich drücke mich um eine Konfrontation. Ich versuche es halblaut mit: „Ich glaube, wir haben in diesem Land alle genug zum Leben. Alle, die wir hier einkaufen.“ Sofort meldet sich seine Angst, zu kurz kommen: „Sie haben gut reden. Sie haben bestimmt ein fettes Einkommen.“

Ich versuche es weiter halblaut: „Ich sehe, Sie können gut einkaufen. Ich weiß übrigens aus eigener Erfahrung, wie es ist, mit wenig Geld durchzukommen.“ Blicke gehen hin und her. Die Szene eskaliert nicht. Das wollte ich: Bloß keinen Streit. Aber ich gehe verunsichert nach Hause. War das deutlich – klar und solidarisch genug? Was mache ich, wenn sich so ´was wiederholt?

Diese Form von Neid und Missgunst gegen Fremde hat Wolfgang Thierse –  der ehemalige Bundestagspräsident – einmal „Wohlstandsrassismus“ genannt. »Wohlstandrassismus« benennt für mich treffend das Motiv solcher Fremdenfeindschaft: Ich habe Angst, dass Fremde mir was wegnehmen – und sehe gar nicht, wie gut es mir geht. Bloß: Wie übersetze ich diese Einsicht in eine angemessene Reaktion?

Hätte ich ihm vorhalten sollen: „Sie verbreiten Angst und haben doch selber nur Angst!“ Oder ihm direkt ins Gesicht sagen:
„Lassen Sie den Neid auf das, was andere haben und bekommen. Das steht schon in der Bibel. Warum freuen Sie sich nicht an dem, was sie haben?“

Ich merke: Ich brauche für klare Reaktionen noch mehr Geistesgegenwart und Standhaftigkeit. Damit mir nicht das Wort gebricht – wenn es darauf ankommt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27193
weiterlesen...