SWR2 Wort zum Tag

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Opfern hilft. Sogar im Umgang mit Wespen. Das hat mich dieses Jahr gelehrt. Denn dieses Jahr ist ein Wespenjahr. Überall trifft man Menschen, die über Wespenstiche klagen und bei Grillabenden sieht man Leute, die mit Wasserattacken aus Blumenspritzen gegen die „angreifenden Tierchen angehen.

Manche versuchen, sie mithilfe eines großen braunen Papierknäuels auf dem Esstisch zu täuschen. Dieses soll wie ein Wespennest aussehen und die anfliegenden Insekten zum Abdrehen bewegen. Mir hat am Besten ein Tipp aus dem Radio gefallen. Ein Biologe hat empfohlen, den Wespen am Besten ein bisschen was vom eigenen Essen zu opfern. Ein Schüsselchen mit einem Stück Fleisch, ein Schälchen mit einem Löffelchen Marmelade in angemessenem Sicherheitsabstand vom Tisch sollten ausreichen, die Wespen zu beschäftigen. Ich habe das ausprobiert und siehe da: Es hat meistens funktioniert. Opfern hilft.

Im Grunde erfordert das ein Umdenken. Ich nehme Bedürfnisse wahr und gebe ab, statt gierig alles für mich allein behalten zu wollen und es im Zweifelsfall mit Gewalt zu verteidigen. Ich will die Sache mit den Wespen nicht überstrapazieren, aber vielleicht würde dieses Umdenken auch in anderen Bereichen unseres Lebens weiterhelfen. Es hat schon Sinn, dass Gier nach alter Vorstellung eine Todsünde ist, denn sie macht nicht satt, sondern lässt die Betroffenen immer hungriger werden. Einmal ganz abgesehen davon, dass man sich die besten Sachen im Leben sowieso nicht kaufen, sondern nur schenken lassen kann: Großzügigkeit macht glücklich und hilft deshalb nicht nur denen, die etwas bekommen, sondern auch der gebefreudigen Hand.

Leider ist Gier trotzdem sehr verbreitet und kennzeichnet nicht nur das individuelle Leben, sondern bestimmt auch wirtschaftliche Zusammenhänge und das Verhältnis von Staaten zueinander. Langsam dürfte es auch uns im reichen Westen dämmern, dass es verheerende Folgen hat, wenn aus wirtschaftlicher Gier mit Wasser und Saatgut spekuliert wird.

In Sachen Wespen haben deutsche Behörden jetzt durchgegriffen und einen Bußgeldkatalog erstellt. Wer Wespen erschlägt, kann in Rheinland-Pfalz mit bis zu 5000 €, in Baden-Württemberg mit bis zu 15.000 € zur Kasse gebeten werden. Wir Deutschen haben schon eine gewisse Regelungswut. Manchmal kann man sich fragen, ob Menschen genauso geschätzt werden wie Gesetze. Leider gibt es keinen Bußgeldkatalog gegen Gier. Ich empfehle: Statt raffen, opfern. Oder statt der Klatsche das Schälchen Marmelade.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27190
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