Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Gott ruft an“, scherzten einige amerikanische Touristen. In Zürich hatten Studenten in einer Kapelle das Glockengeläut durch einen Handyklingelton ersetzt. Und jetzt klingelte das Handy vom Kirchturm, und die Touristen meinten: Gott ruft an.

An Glockengeläut haben wir uns gewöhnt, und oft geht es im Alltagslärm unter. Handyklingeln dagegen schenken wir unsere ganze Aufmerksamkeit. Oft erlebe ich, dass Menschen mitten in einem Gespräch ihr läutendes Handy ans Ohr drücken und  mit der anderen Hand eine bedauernde Geste machen: Der Partner soll bitte verstehen, dass das Gespräch jetzt unterbrochen werden muss, weil ein Handyanruf reinkommt. Das Handy geht immer vor.

Das funktioniert auch mit dem Kirchturm-Handy: Leute bleiben stehen und schauen sich um, woher der Klingelton kommt. Und die Touristen stellen schmunzelnd fest: Gott ruft an. Natürlich hört das Klingeln auch irgendwann einfach wieder auf. Und niemand kann den Anruf vom Kirchturm annehmen.

Trotzdem ist das Projekt der Studenten und der Scherz der Touristen – Gott ruft an – mehr als ein Gag. Es ist eine Einladung - an die Kirchen und an die Passanten: Das Projekt ruft die Kirchen auf, wirklich so zu kommunizieren, dass sie die Aufmerksamkeit der Menschen gewinnen. Früher gelang dies noch mit Glockenschlägen, die den ganzen Alltag strukturierten und nicht nur zum Gottesdienst riefen. Heute ist es eher das Handyläuten, dem die Leute unter allen Umständen ihre Aufmerksamkeit schenken.

Und die Passanten: Die hören etwas Bekanntes aus einer ungewohnten Richtung. Nicht in der Hosentasche klingelt das Handy, sondern vom Kirchturm. Unwillkürlich werden sie den gesenkten Blick vom Display lösen und nach oben schauen. Und das kann hier und da durchaus neue Perspektiven eröffnen. Vielleicht rechnen sie in Zukunft sogar mit einem Anruf aus einer anderen Richtung. Mit einem Anruf von oben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27144
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