Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Im Frühjahr habe ich begonnen einen Garten anzulegen. Die Rasenfläche kam weg, das Beet wurde gefräst und die ersten Pflanzen zogen ein.

Ich weiß gar nicht mehr so genau, wann ich sie das erste Mal gesehen habe – plötzlich war sie da: die Ackerwinde. Und zwar überall! Sie rankt über den Boden, bildet endlose Wurzeln und wenn man die Wurzel beim Jäten spaltet, bilden sich gleich zwei oder mehr neue Pflanzen. Seit sie da ist, spielt sich alle drei bis vier Wochen das gleiche Schauspiel ab: Ich betrete den Garten und mache Ackerwinde aus. Immer in der gleichen Haltung – kniend, hockend, sitzend. Das dauert. Lange. Meistens brauche ich drei Tage bis die komplette Fläche frei von Ackerwinde ist.

Oft höre ich Passanten am Gartenzaun sagen: „Das ist ja furchtbar!“ - „Die reinste Sisyphos-Arbeit“. „Kann man denn da nichts tun? Also so grundsätzlich? Vielleicht mit Gift?“

„Nein, kann man nicht.“ Oder besser gesagt: „Nein, das will ich nicht!“

Die Ackerwinde ist nämlich nicht das personifizierte Böse. Es handelt sich lediglich um eine wuchsfreudige Pflanze, die entzückende Blüten bekommt. Weil sie aber so wuchsfreudig ist, muss ich sie eben regelmäßig eindämmen. Ansonsten würde sie den anderen frisch gesetzten Pflanzen Platz wegnehmen und sie womöglich von der Nährstoffversorgung abschneiden.

Ich versuche also ein Gleichgewicht zu bilden zwischen der Ackerwinde, die dort offensichtlich gerne wächst, und den Neuzugängen, die ich gerne dort sehen möchte.

Zudem mögen Hummeln und Bienen die Blüten und bereits als Kind lernte ich folgende Legende über die Ackerwinde:

Ein Fuhrmann hat sich mit seiner Wagenladung Wein festgefahren und kommt nicht mehr weiter. Da kommt Maria, also die Muttergottes, des Weges und bittet ihn um ein Glas Wein. Da der Mann kein Glas hat, bricht Maria die Blüte einer Ackerwinde ab. Sie hat die Form eines Kelchs und darin füllt der Mann den Wein. Im Moment als Maria trinkt, kommt auch der Wagen wieder frei und seitdem heißt die Pflanze auch Muttergottesgläschen.

Ich finde, da ist eine Giftbehandlung wohl kaum das Mittel der Wahl.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27084
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