SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Natürlich spricht Jesus nicht vom Arbeitsmarkt. Aber seine Winzergeschichte hätte auch dazu was zu sagen – auch für heute noch

Auf den ersten Blick ist das eine Geschichte gegen einen vernünftigen und gerechten Arbeitsmarkt. Ein Winzer sieht, dass die Trauben reif sind in seinem Weinberg. Also geht der Weinbauer früh morgens auf den Marktplatz und heuert Arbeitskräfte an; Tagelöhner also. Sie verabreden den Lohn – vermutlich per Handschlag –  und die Jungs legen los mit der Ernte im Wingert.

Ob der Winzer sich verschätzt hat?  Jedenfalls sieht er nach ein paar Stunden, dass er mehr Arbeiter braucht. Und wieder findet er sie auf dem Markt; Handschlag für den Tageslohn wieder ein Silberdenar, und ab an die Arbeit. Das gleiche Spiel wiederholt sich noch drei Mal an diesem einen Tag. Und gleiches Spiel bedeutet: auch wieder gleicher Lohn.

Dieser Arbeitgeber verdirbt die Preise, wenn er das durchhält: Ein Denar für eine Stunde –  da müsste er mindestens zehn oder zwölf rüberschieben für die Männer, die schon morgens um sechs angefangen haben. Aber die werden sich wundern. Als sie nämlich als letzte zur Auszahlung kommen, bekommen sie – wie morgens abgemacht: einen Silberdenar.

Sie murren, heißt es in der Geschichte. Wir haben den ganzen Tag in der Hitze geschuftet  und die haben herumgegammelt und sacken jetzt so viel ein wie wir!?

Sorry – aber du kriegst doch genau den Denar, den wir abgemacht haben. Der Gutsbesitzer lässt sich auf die Debatte ein und ihre miese Stimmung. Ich halte mich an unseren Vertrag – wo geschieht dir Unrecht? Ich darf mit meinem Geld tun, was ich will –  und du hast genug, deine Familie morgen satt zu kriegen…

Sie kennen die Geschichte:  In Wirklichkeit erzählt Jesus da von der anderen Gerechtigkeit bei Gott. Die richtet sich nur nach Gottes Liebe – und die gilt allen gleich, ohne Rücksicht auf irgendwelche Leistung.

Schon klar: auf dem richtigen Arbeitsmarkt muss es anders zugehen. Gerechte Löhne müssen einerseits miteinander vergleichbar sein; wirklich gerecht sind sie aber andererseits erst,  wenn jeder genug hat zum Leben  für sich selbst und für die Familie. Das muss auch für Mini-Jobs und Mindestlöhne gelten. Da sollte der Arbeitsmarkt sich ruhig ein Vorbild nehmen  an dem Winzer aus der Geschichte.

Und wohl auch daran, wie der mit den sogenannten Langzeit-Arbeitslosen umgeht. Die können nur noch wenig beitragen zur Ernte an diesem Tag; aber er nimmt sie wahr und er sorgt für sie.  Nur eine Stunde Arbeit…  Das hilft ihnen, ihre Würde zu wahren; und außerdem kommen sie wieder rein in die Abläufe  und hoffentlich auch in den regulären Arbeitsmarkt.

Ich möchte wetten: die stehen am nächsten Tag schon um sechs auf dem Markt; oder spätestens um neun, wenn die Kinder in der Schule sind…

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27071
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