Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
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Engel gibt’s!
Und sie müssen nicht perfekt sein.
Ich hab einen getroffen, der hatte eine Macke.
Und das kam so:
Ich war in einem Blumenladen.
Und da seh ich ihn vor mir.
In seiner ganzen Schönheit steht er da.
Ein Engel aus Porzellan.
Schaut mich an und sagt:
Kauf mich doch!
Ich frage neugierig, was der denn kostet
und bekomme als Antwort,
der sei ganz billig, weil,
er sei ja kaputt.
Und erst jetzt sehe ich, dass er tatsächlich eine Macke hat,
ein Stück vom Flügel fehlt.
Auf der Heimfahrt schau ich ihn so von der Seite an,
wie er da auf dem Beifahrersitz tront und denke:
Wie schnell doch so ein Engel an Wert verliert,
nur weil er nicht ganz ganz ist.
Leider hab ich ihn nicht vorschriftsmäßig angeschnallt
und als ich an der roten Ampel etwas zu heftig bremsen muss,
fliegt er unfreiwillig nach vorne und bricht sich auch noch den Arm,
der arme.
Zuhause angekommen bringe ich den Patienten zu meiner Frau,
die ihn mit ihren heilenden Händen kompetent verarztet.
Zumindest was den Arm betrifft, kann ihm geholfen werden.
Und da auf einmal habe ich angefangen etwas von ihm zu lernen:
Ich glaube nämlich, dass Engel nicht perfekt sein müssen.
Gott braucht sogar gerade die ganz dringend als Begleiter und zum Trösten,
die selbst nicht ganz fehlerfrei und makellos sind,
sondern auch Schwächen und Beschwerden kennen.
Unbeschädigt und unversehrt
ist ein Engel ganz verkehrt.
Gott braucht eher Leute als Boten und hilfreiche Helfer,
die selbst eigene Gebrechen und Bruchlandungen kennen.
Gott braucht Engel mit Macken und Zacken,
Leute, die wissen, wie es ist mit Rissen und Wunden,
wie es sich anfühlt,
das liebe Leben,
wenn es lebensgefährlich wird,
Wunden schlägt,
Schmerzen macht,
Angst und Bange auch.
Mein Engel mit dem Flügelschaden jedenfalls
ist mir zum wunderbaren Modellathleten geworden.
Und darum habe ich ihn auch bei der nächsten Taufe verschenkt.
Jetzt fliegt er wieder.
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