SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Angenommen, unsere Körperteile könnten sprechen. Und würden das folgende Gespräch miteinander führen.

„Ich habe keine Lust mehr“, sagt das Ohr, „immer nur zuzuhören. Darum sage ich: Ab sofort – erstmal ich!“
Danach meldet sich der Fuß: „Ich finde es auf die Dauer unerträglich, die ganze Last des Körpers zu tragen. Darum sage ich: Ab sofort – erstmal ich!“ Auch die Hand lässt sich vernehmen: „Ich soll immer alles begreifen, anfassen und anpacken. Mir langt es! Darum sage ich: Ab sofort – erstmal ich!“ Auch das Auge hat keine Lust mehr, alles mitansehen zu müssen. Und die Nase kann die Anderen schon lange nicht mehr riechen. Schließlich ist der ganze Körper lahmgelegt, weil alle sagen: erstmal ich!

So ähnlich geht eine Fabel, die schon in der Antike kursierte. Der Apostel Paulus hat sie in seinem Brief an die Gemeinde in Korinth aufgegriffen. Und auf die dortige Gemeinde angewendet. In Korinth gab es offenbar einigen Streit. Die Einen fühlten sich den Anderen überlegen. Und wollten deshalb bevorzugt behandelt werden.

Paulus geht dagegen vor, indem er die Gemeinde beschreibt als einen Körper, der aus vielen Teilen mit unterschiedlichen Aufgaben besteht. Ihr seid der Leib Christi, sagt er, und jeder Einzelne ein Teil davon. Es kann nicht sein, dass sich der Eine vom Anderen abgrenzt nach dem Motto: Erst einmal ich!

Es ist nämlich genau umgekehrt, sagt Paulus: wenn es einem Teil schlecht geht, dann leiden alle anderen Teile mit. Und wenn ein Teil besonders gewürdigt wird, dann gilt das für alle anderen auch.

Das Miteinander klappt nur, wenn alle mitmachen. Keiner ist alles. Jeder hat sein Talent und seine Begabung. Und es kommt nicht darauf an, dass alle dasselbe machen, sondern jeder, was er kann. 

Ich finde, das ist ein anregendes Bild, das Paulus da verwendet. Mit einer Vision, von der man sich für unsere Gegenwart durchaus etwas abgucken könnte. Wo es doch modern geworden ist zu sagen: „Ich zuerst!“

Denn auch unsere Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn gewährleistet ist, dass sich die Einen für die Anderen verantwortlich fühlen. Kein Einheitsbrei soll das sein, wo alle nach derselben Melodie singen. Aber doch so, dass ein gemeinsames Körpergefühl für das Ganze entsteht. Das Motto: Ich zuerst! ist dafür denkbar schlecht geeignet. Es sollte lauten: Wir alle miteinander! Dann kann es funktionieren.

 

 

 

 

 

Erstmal ich!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27035
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