Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wie war das noch? Was sollte ein Mann im Leben gemacht haben? Ein Haus bauen, einen Baum pflanzen, einen Sohn zeugen. Das alles ist bei mir mittlerweile erledigt. Und ich habe gedacht, damit ist alles geschafft. Besser kann‘s nicht mehr werden. Doch jetzt ist noch etwas dazu gekommen, das mein Leben tatsächlich noch reicher, irgendwie noch runder gemacht hat. So fühlt es sich jedenfalls für mich an. Als hätte doch noch etwas gefehlt, das ich bis jetzt noch gar nicht vermisst hatte. Ich bin Opa geworden. Da habe ich selber natürlich nichts dafür tun müssen. Das haben andere getan. Es war auch nicht meine Entscheidung. Mein Enkel ist wie ein Geschenk, das ich völlig unverdient und einfach so überreicht bekomme. Ich nehme das Baby in den Arm und bin einfach nur glücklich, dass es da ist. Und das Schönste daran: ich kann es wieder in die Arme seiner Eltern zurücklegen und zu Hause nachts durchschlafen. Für dieses Geschenk musste ich nichts tun, es ist einfach da. Dasselbe gilt auch für mein eigenes Leben, das ich ja auch geschenkt bekommen habe. Mein Leben ist einfach da, ich bin nicht gefragt worden ob ich es haben will oder nicht. Ein Geschenk eben. Dieses Geschenk ist allerdings oft ziemlich mühsam und zugegeben nicht immer schön. Und manch einer hat sich sicher schon im Stillen gefragt, ob er dieses Geschenk nicht zurückgeben kann. Und rund 10.000 Menschen in Deutschland – so sagt die Statistik - tun das auch jedes Jahr. Sie halten ihr Leben einfach nicht mehr aus. Bei mir überwiegt zum Glück die Freude über das Geschenk des Lebens. Und die Geburt eines Enkelkindes zeigt mir wieder einmal, wie schön dieses Leben ist. Dabei weiß ich, dass der Grat zwischen Freud und Leid unglaublich schmal sein kann. Ich habe vor kurzem deshalb zwei Kerzen gleichzeitig nebeneinander in einer Kirche angezündet. Die eine war für einen Kollegen, der ganz plötzlich gestorben war. Die andere war für mein Enkelkind, dem das Leben geschenkt worden ist. Beide Kerzen erinnern mich daran, wie kostbar und verletzlich Leben ist. Und wie schön es trotz allem sein kann – Gott sei Dank.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27033
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