SWR2 Wort zum Tag

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Bildung ist notwendig, das pfeifen alle Spatzen von den politischen Dächern, und nicht nur von diesen. Dauerndes Lernen und Verlernen ist angesagt. Das betrifft nicht nur den Aus- und Fort- und Weiterbildung im Beruf. Es gilt nicht minder für Herzensbildung und Spiritualität, und die hängt nicht an der Zahl studierter Semester oder gelesener Bücher. (Angesichts der Vielfalt der Angebote und Wahlmöglichkeiten ist es ja    nicht so leicht, innerlich klaren Kurs zu halten und sich im Alltag  zurecht zu finden. Deshalb wohl gibt es so viele Beratungsstellen, deshalb so viele spirituelle Wege und Angebote.) Keine Spiritualität ohne Bildung, kein inneres Wachstum ohne fortwährendes Üben und Lernen. Dazu liegt jetzt ein anregendes Schreiben des Papstes vor – über den Ruf zur Heiligkeit in der Welt von heute. Und dieser Ruf ist höchstpersönlich. Denn jeder Mensch sei ein „einzigartiger und unwiederholbarer Entwurf“, und habe eine unverwechselbare Sendung.  (Nr 13). (Papst Franziskus spricht von der „Unwissenheit derer, die nicht wissen, wofür sie leben“ (Nr 29). Ihnen fehlt es an Orientierung und Begleitung, Kopf- und Herzensbildung tut not.)

Einer aus früheren Zeiten, der das klar gesehen und angepackt hat, wird heute in der katholischen Kirche gefeiert: der heilige Dominikus.  Natürlich war die Zeit vor 800 Jahren in Europa eine andere als heute, aber was der spanische Priester Dominikus damals um 1200 in Gang brachte, ging schon ganz in die moderne Richtung. Mit Gleichgesinnten schuf er eine Art Bildungsoffensive, Aufklärung in Sachen christliche Lehre zwecks gutem Gemeinwohl für alle.  Das konnte natürlich auch zu schlechter Scharfmacherei führen, zu Ausgrenzung und Verfolgung. Früh schon stehen Dominikaner leider auch für solche Inquisition, Gesinnungsschnüffelei zwecks Gleichschaltung. Aber ihr Gründer wollte das nie. Sein Bildungsprogramm zielt zuerst auf überzeugende Lebensführung. Deshalb sollen in seiner Bewegung   alle Güter geteilt werden, niemand soll auf Kosten anderer leben, die Solidarität mit den Armen wird wörtlich genommen – ganz wie bei seinem Zeitgenossen Franz von Assisi. Aber für die Dominikaner rückt von Anfang an eben auch die andere Seite in den Mittelpunkt: Christen müssen wissen, was sie glauben und warum. Zuerst mit dem Herzenswissen; aber sie sollten auch Rechenschaft ablegen können, wenn sie gefragt werden, und das mit klaren Argumenten. Deshalb lautet das dominikanische Motto: contemplata aliis tradere. Was man als wahr erkannt hat und in Wort und Tat lebt, soll man auch an anderen weitergeben. Meister Eckhart, der große Schüler des Dominikus, hat dafür das Wort Bildung geprägt. Jeder Mensch darf und soll werden, was er ist: Gottes Bild und Stellvertreter. Dann weiß er, wofür es sich zu leben lohnt, und er ist wirklich gebildet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26976
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