SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Heute stelle ich Ihnen ein Ritual für den Abend vor. Ich habe damit gute Erfahrungen gemacht. Vor allem, wenn mir noch viele Dinge im Kopf herum gehen. Das Ritual ist so etwas wie ein erweitertes Gebet. Und wie bei jedem Gebet geht es darum, mein Leben Gott anzuvertrauen. Also nicht zu klammern und festhalten zu wollen. Sondern mir einzugestehen: „Für mich ist heute Schluss. Ich muss mich für den Moment nicht mehr bemühen. Gott, kümmere Du Dich.“ Das Ritual hat fünf Schritte. Wenn ich es gut und in Ruhe machen will, brauche ich ungefähr zehn, manchmal fünfzehn Minuten dazu.

Schritt eins. Ich suche einen Ort auf, wo ich allein bin und Ruhe habe. Ich sitze eine kleine Weile einfach nur da. Das ist bei mir im Laufe der Zeit immer besser gegangen, je mehr Übung ich hatte. Ich versuche, so wenig wie möglich zu denken, zu grübeln. Ich sage nur: „Gott. Gott, ich bin da.“ Wenn’s mir schwer fällt ruhig zu werden, konzentriere ich mich auf meine Atmung.

Dann, im zweiten Schritt, suche ich nach dem Erlebnis des Tages, für das ich dankbar bin. Etwas, das mir einfällt, ohne dass ich lange überlegen muss. Das kann eine schöne Begegnung mit jemandem gewesen sein. Oder auch nur etwas, das ich auf der Straße gesehen habe - vielleicht ein Kind, das mich angelächelt hat, oder eine alte Frau, die meinen Hund streicheln wollte. Ich sammle so zwei, drei Momente der Dankbarkeit zusammen; und habe nicht den Anspruch, mich an alles erinnern zu müssen. Genauso suche ich nach einer Sache, für die ich Gott um Hilfe bitte, weil sie mich den Tag über nicht losgelassen hat und noch immer beschäftigt.

 

Im dritten Schritt gehe ich Stunde für Stunde den zurückliegenden Tag durch. Ich versuche dabei, so nüchtern wie möglich zu bleiben. Ich vermeide es zu bewerten und zu lange an einer Sache hängen zu bleiben. Dann frage ich mich, ob ich an einer Stelle etwas von Gott gespürt habe; ob er mir etwas sagen will mit dem, was ich erlebt habe.

Schritt vier: Meistens gibt es noch Reste. Ich habe mich über jemanden geärgert. Oder ich habe einen anderen unfreundlich behandelt. Wenn Schuldgefühle auftauchen, verweile ich bei denen einen Augenblick länger. Es hilft mir besonders, sie Gott mitzuteilen; und ihn um Unterstützung zu bitten, dass ich einen Weg zur Versöhnung finde. Ich bitte ihn, mich seine Liebe spüren zu lassen.

Am Schluss bete ich das Vaterunser. Und bitte Gott um seinen Segen für die Nacht. Für die Menschen, die zu meinem Tag gehört haben und für mich selbst.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26899
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