SWR3 Gedanken

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Das Tattoo auf dem Nacken der zierlichen Studentin erinnert mich an etwas. Dieses längliche Gebilde mit einer Ausbuchtung in der Mitte wie ein schlecht gemalter Hut.

Dann fällt es mir ein: das Tattoo kopiert die Zeichnung, mit der Antoine St. Exupéry sein bekanntestes Buch beginnt. Der kleine Prinz erkennt dort auf Anhieb, was die Kinderzeichnung des Autors darstellen soll. Die Zeichnung im Buch zeigt ein längliches Gebilde mit einer Ausbuchtung in der Mitte. Aber der kleine Prinz erkennt sofort, dass dies eine Riesenboa ist, die einen Elefanten an einem Stück verschlungen hat.

Ohne die die Begegnung mit dem Kleinen Prinzen würde die Kinderzeichnung ein schlecht gemalter alter Hut bleiben. In dem Moment aber, als der Kleine Prinz den Elefanten in der Schlange erkennt, wird für den Erzähler seine ganze Kindheit wieder lebendig. Von dort her bekommt alles eine Bedeutung.

Anstatt dem Vortrag zu folgen, bleibe ich an dem Tattoo hängen. Oder besser daran, wie es kommt, dass aus einem Zeichen plötzlich Leben spricht. Eigentlich, überlege ich, ist diese Schlange mit Elefant so was wie das Kreuzzeichen.

Ja, das ist wie mit dem Kreuz: Erst in dem Moment, in dem Menschen erzählen, welche Erfahrungen sie mit dem Glauben gemacht haben, und was  Jesu Tod und Auferstehung für sie bedeutet , erhält das Kreuz einen Sinn, füllt sich mit Leben.

Und weil Menschen seit 2000 Jahren ihr Leben mit dem Leben und Sterben von Jesus verknüpfen, ist aus einem antiken Zeichen ein Symbol für Leben und Hoffnung geworden.

Ich hätte wahnsinnig gerne mit der Studentin darüber gesprochen, ob sie das auch so sieht. Und was für Erfahrungen sie im Leben gemacht hat. Leider habe ich sie nach dem Vortrag nicht mehr gesehen. Aber ich stelle mir seither vor, dass sie auch eine Kette trägt. Mit einem Kreuzanhänger.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26825
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