SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Eine Nachricht hat mich erreicht. Ein Kettenbrief auf meinem Handy. Der Inhalt hat mich total schockiert. Darin wird gewarnt vor Frauen und Männern, die dem Islam angehören. Vor allen Muslimen, ausnahmslos.

Solche Verallgemeinerungen wegen Religion und Herkunft lese ich viel zu oft. Trotzdem bin ich schockiert, dass diese Propaganda nun auch über mein Handy zu mir kommt. Das macht mich wütend und traurig zugleich. Das geht gar nicht: Dass Menschen aufgrund ihrer Religion beleidigt und ausgegrenzt werden. Mich selbst nervt es ja schon, wenn ich jemandem begegne, der mich mit Vorurteilen überschüttet, weil ich katholisch bin. Wie schlimm muss es also erst für Frauen und Männer sein, über die aufgrund ihrer Religion gesagt wird: „Die ist ein schlechter Mensch“ oder „Der führt sicherlich nur Böses im Schilde“. So ein Verhalten hat schon einmal zur Katastrophe in Deutschland geführt – warum also wieder diesen Fehler begehen?!

Leider werden immer wieder Zeichen von Hass und Angst gesetzt: Ständig wird schlechte Propaganda verbreitet; Berichte, die wissenschaftlich nicht geprüft werden und falsche Fakten beinhalten. Statt zu hinterfragen wird diese Propaganda oft geglaubt und weiter verbreitet.

Ich frage mich, was ich an dieser Stelle tun kann? Soll ich mich in die Diskussion einmischen? Oder einen Gegentext formulieren? Aber letztlich schenkt das doch der schlechtesten Propaganda noch mehr Aufmerksamkeit. Deshalb entscheide ich mich für einen anderen Weg.

In meiner Kirchengemeinde in Stuttgart gibt es ein Friedensgebet. Dabei bringen Frauen und Männer Nachrichten und Bilder aus aller Welt mit, die ihnen Sorgen bereiten und Angst machen. Ich fühle mich beim Anblick dieser Bilder sehr ohnmächtig. Aber ich möchte gerne etwas tun. Deshalb bete ich mit beim Friedensgebet. Weil ich mich in dieser Angelegenheit Gott anvertrauen möchte. Ich möchte ihm meine Sorgen mitteilen, aber auch meine Hoffnung, dass er Frieden schafft in unserer Welt. Ich bin nicht völlig hoffnungslos im Blick auf diese Bilder, sondern ich glaube, dass Gott auch dort ist.

Deshalb wird jede Woche auch eine Nachricht vorgelesen, die zeigt, wo es schon Frieden gibt. Wie eine Nachricht vom letzten Monat aus Ägypten. Dort brannte eine koptisch-orthodoxe Kirche. Der Imam vor Ort nutzte die Lautsprecher, die sonst nur dem Ruf zum muslimischen Gebet dienen, um seine Gemeinde zusammen zu trommeln. Sofort waren Dutzende Muslime zur Stelle, um den Brand zu löschen und zu zeigen: Hilfsbereitschaft ist keine Frage, die an eine bestimmte Religion gebunden ist.

Das Friedensgebet ist ein Ort, an dem wir gemeinsam für Veränderung und Frieden beten. Und glauben und hoffen, dass Frieden möglich ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26801
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