SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Meine Freundin und ich schlendern durch die Altstadt von Esslingen. Wir laufen an einer Gruppe von Mädels vorbei,  die allesamt ihre Köpfe über einem Handydisplay zusammen stecken. Sie kichern und lachen lauthals. Dabei fällt mir ein Schriftzug auf einem Shirt ins Auge: Make a change – verändere etwas.

„Ja klar, was will das kichernde Mädel denn schon verändern?“, denke ich mir. Und merke sofort, wie sehr mich meine eigene Reaktion stört: Wann bin ich so spießig und verknöchert geworden? Seit wann traue ich jungen, heranwachsenden Frauen nicht mehr zu, die Welt zu verändern?

Ich war doch als Jugendliche auch nicht ständig damit beschäftigt, die Welt zu verändern. In der Sturm-und-Drang-Zeit musste ich mich in der Welt zu Recht finden und irgendwie mit mir selbst klar kommen. Aber ich hatte auch so viel Mut und Energie wie noch nie. Was Erwachsene nicht mehr aushalten, machen Jugendliche jeden Tag: Sich selbst neu erfinden und die Welt neu entdecken. Jugendliche sind sozusagen ständig in Veränderung – warum sollten sie dann nicht auch etwas in unserer Welt verändern können?

Ich denke an die jungen Frauen und Männer, die sich im Bereich der Medien offensiv gegen Sexismus und für Gleichberechtigung einsetzen. Die eigenständig Videos produzieren, um Gleichaltrigen Mut zu machen, sich selbst so anzunehmen wie sie sind; sie motivieren Andere, sich treu zu bleiben und frei zu machen von dem was von ihnen erwartet wird. Diese jungen Frauen und Männer sind dabei großer Kritik ausgesetzt und müssen dem öffentlichen Druck standhalten, um ihre Botschaft in die Welt zu bringen. Allerdings: Sich so zu positionieren, braucht kein bestimmtes Alter. Sondern Mut und Leidenschaft. Und das Vertrauen in sich selbst, dass man die Welt verändern kann.  Und das haben diese jungen Menschen!

Make a change – verändere etwas. Wie gut, dass dieses Mädchen offenbar sich selbst zutraut, etwas zu verändern. Und dass sie dieses Lebensmotto auch nach außen sichtbar auf ihrem Shirt trägt. Ich hoffe, sie lässt sich den Mut zur Veränderung niemals von Anderen nehmen. Denn, ja: Sie kann die Welt verändern! Und so ein bisschen hat sie auch meine Welt verändert, weil mich ihr T-Shirt zum Nachdenken bringt: Als Jugendliche war ich mir nie zu schade, meine Meinung zu sagen, egal wie stark der Gegenwind war. Ich erinnere mich an eine Mitschülerin, die vom Großteil der Klasse ausgeschlossen wurde weil sie anders war als die anderen. Oder einen Jungen, der im Bus vom Busfahrer angeschrien und beleidigt wurde. Damals habe ich nicht lange nachgedacht und habe ganz klar Stellung bezogen – es hat mir nichts ausgemacht, was Andere dabei von mir denken. Natürlich tue ich das heute auch noch – wenn mir etwas wichtig ist, dann stehe ich dafür auch ein; aber manchmal viel zu zaghaft oder in der Sorge, jemandem auf die Füße zu treten. Und daran möchte ich gerne etwas verändern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26799
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