SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Man weiß nicht genau, ob sie wirklich gelebt hat. Die Barbara. Die Namensheilige des
heutigen 4. Dezember. Es könnte sein, dass sie eine durch und durch legendäre Gestalt ist, meinen Historiker. Aber, mir ist das eigentlich auch nicht so wichtig. Wichtiger als die Taten,
die er oder sie wirklich getan haben, finde ich an Heiligen ihre Wirkmacht. Die Kraft, die aus ihrer Erzählung in den Nachgeborenen freigesetzt wird, in unseren Köpfen und Herzen.
Bei Barbara ist das spannend und auch ein wenig erstaunlich, finde ich. Dass eine Frau mit solchen Eigenschaften „heilig“ wurde. Aufgenommen in den Kanon christlicher Lichtgestalten
für den Advent. Heilig gesprochen wurde sie, weil Sie als standfeste Märtyrerin des christlichen Glaubens gestorben ist. Aber ihre Standfestigkeit könnte man genauso gut als weibliche Sturheit sehen, als Unbotmäßigkeit gegen einen besorgten Vater, als religiöse Verbohrtheit
und übertriebenen weiblichen Freiheitsdrang. Je nach Perspektive.
Barbara sei sehr schön gewesen, erzählt die Legende. Verführerisch schön und klug. Sie
wächst auf in einer nichtchristlichen Familie. Ihr Vater schottet sie ab, vor möglichen Verehrern, und vor fremden religiösen Einflüssen. Aber Barbara lässt sich nicht einsperren. Geistig und
geistlich jedenfalls nicht. Obwohl sie in einem Turm lebt wie eine Gefangene, erfährt sie vom Glauben der Christen und schafft es, sich taufen zu lassen. Wird Christin. Der Vater verfolgt diese religiöse Selbstbestimmung seiner Tochter mit großer Härte. Bringt sie vor Gericht. Sie wird gefoltert, soll abschwören, tut es nicht, flieht, wird verraten. Schlussendlich soll der
eigene Vater an ihr das Todesurteil vollstreckt haben.
Ich muss zugeben, ein wenig schaudert mir vor soviel heißer, unbeugsamer Religiosität, die hier heilig gesprochen wurde.
Diese Frau wärmt und leuchtet nicht sanft wie eine Kerze am Adventskranz, sie hat etwas Brennendes und Verzehrendes für mich.
So viel Unbedingtheit. Aber vielleicht ist das ja auch etwas, was meinem Glauben abgeht. Vielleicht hat unser aufgeklärtes, modernes Christentum von diesem jungen Feuer zuviel verloren. Sie fasziniert mich auch, diese Courage der Barbara. Diese Kraft, der Mut, sich
frei zu machen vom Denken der Umgebung, zu widerstehen, der christlichen Überzeugung
treu zu sein. Ein kleiner Widerschein dieses Feuers in uns, ich glaube, der wäre nötig und
täte gut.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2673
weiterlesen...