Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Mehmet, schau mal nach Karl.“ Das habe ich neulich am Eingang eines großen Mietshauses gelesen. Da gab es Dutzende von Klingeln. Und neben vielen der Klingeln klebten kleine Zettel. Zum Beispiel die Aufforderung für den Postboten: Paket bitte bei Müller abgeben. Oder ein Hinweis auf den eigenen Aufenthaltsort: Bin bei Ivanovic. Eine richtige Zettelwirtschaft!

Am meisten hat mich aber die Nachricht berührt: Mehmet, schau mal nach Karl. – Im Hochhaus kennt eh keiner den anderen. Man geht doch achtlos aneinander vorbei. Keiner kümmert sich um den anderen. Das stimmt ja gar nicht! Das Gegenteil ist richtig. Hier leben Menschen zusammen. Sie wissen, dass sie sich brauchen. Das ist nützlich und menschenfreundlich:

Du bist unterwegs? Klar, dass ich dein Päckchen annehme. Wir haben lange nicht mehr miteinander geredet? Komm doch mal auf einen Kaffee vorbei.Ich muss leider weg. Kannst du zwischendurch mal nachsehen, was Karl macht, wenn du nach Hause kommst?

Wer sagt eigentlich, dass Klingeln nur dazu da sind, um sich als Besucher anzumelden? Sie sind viel mehr, sie sind mit den Zettelchen ein Ort des Austauschs, gleich am Eingang – sozusagen die Visitenkarte des Hauses und seiner Bewohner. Ein Hotspot der Kommunikation, eine Informationsbörse. Noch bevor jemand überhaupt auf eine der Klingeln drückt, hat er schon einen Eindruck von den vielfältigen Beziehungen in diesem Haus. Er spürt sofort: das sind nicht nur Namen. Hier leben Menschen, und zwar miteinander in einem gemeinsamen Haus.

Die Zettelwirtschaft am Hauseingang ist für mich ein Zeichen: Diese Menschen haben verstanden, was die Bibel meint, wenn sie sagt: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei!“ Denn hier lässt es sich leben – wo Mehmet nach Karl schaut.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26695
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