SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Langeweile“: Was für ein vielsinniges Wort. Und was für eine vielgestaltige Erfahrung. Ich habe das gerade wieder beobachtet an mir und anderen. Im Urlaub, am Meer. Lange-Weile kann man sehr verschieden erleben.

Ich bin hingefahren der Ruhe wegen, mal weg vom Tempo und dem Reizdruck des Alltags. Aber wie schwer fällt es oft, am ersten Tag. Ruhe zu finden, sie auszuhalten.
Beim Spaziergang am Strand kann ich noch nicht lange verweilen. Mir wird langweilig. Ohne Ziel unterwegs sein, geht noch nicht. Zumindest ein paar schöne Muscheln muss der Spaziergang bringen. Solange man auf Ziele hin orientiert ist, scheinen ‘verweilen und ruhen’ Störfaktoren.

Am zweiten und dritten Tag wurde es besser. Die Verweildauer am Strand nimmt bei vielen zu. Es wird mehr geschlendert. Geplaudert. Still geschaut. Eine lange Weile einfach nur dasitzen, aufs Meer hinausschauen, wie verschieden die scheinbar immer gleichen Wellen sind. Und je länger man diese Weile dauern lassen kann, umso mehr verflüchtigt sich das Gefühl von Langeweile.

Und am Ende der Woche: Man steigt mit anderen die Düne hinauf. Um einfach still dazusein, zu sehen wie die Sonne untergeht. Das Meer zum Goldleuchten bringt. Kaum ein Wort fällt. Berührt sehen die anderen aus. Und ich hoffentlich auch.

Das ist wohl so ein Moment, den Goethe gemeint hat mit seinem „verweile doch, Du bist so schön.“ Wenn man fühlt, so könnte sie bleiben, die Welt. Wenn jetzt die Zeit stehen bleiben würde, ich fände es nicht langweilig. Und man begreift. Ewigkeit ist nicht Zeit, die einfach endlos verlängert wird. Ewigkeit, das wird etwas sein, wenn Zeit nicht mehr laufen und rennen muss, sondern sich erfüllt. Wenn wir nicht mehr rennen müssen. Sondern ankommen.

Schnitt: Mein Urlaub ist vorbei. Die Zeit läuft wieder. Und ich auch. Wenn sich mal nichts tut, verspüre ich Langeweile auch wieder negativ. Es gibt wieder Ziele, die ich anstrebe. Und das ist auch gut so. Noch viel zu viel an unserer Welt ist unerfüllt. Ungerecht. Unfertig. Unversöhnt. Ewiges Verweilen ist noch nicht.

Aber muss ich darum warten bis zum nächsten Urlaub bis wieder erfüllte Ruhe sein wird ohne Langeweile? Ich glaube nicht. Es gibt Momente in denen die Seele ankommen kann, auch hier und jetzt. Und ich hoffe, es gelingt Ihnen und mir, solche Ruhe zu finden und auszuhalten.
Ich habe mir zB. vorgenommen. Im nächsten Gottesdienst, der mir „langweilig“ vorkommt, den versuche ich, nicht ‘langweilig’ zu finden. Sondern in dieser langen Weile anzukommen. Vielleicht begegne ich darin Gott.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26670
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