SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Er lag im Krankenhausbett und weinte wie ein Kind. Ein paar Stunden vorher hatte er erfahren, dass er noch einmal operiert werden muss. Zum achten Mal, seit er vor einem halben Jahr ins Krankenhaus gekommen ist.

Erwachsene Menschen trösten ist schwierig.  Man kann sie nicht einfach auf den Schoß nehmen, die Nase putzen, ein wenig hin und her wiegen und sagen: Du brauchst nicht weinen, es wird alles wieder gut.  Und doch steckt auch in Erwachsenen, die traurig sind,  das Kind, das in den Arm genommen werden will, wenn`s weh tut, wenn es weint. So, wie Mascha Kaleko es in einem ihrer Gedichte beschreibt:

Weil Deine Augen so voll Trauer sind,
und Deine Stirn so schwer ist von Gedanken, 
lass mich Dich trösten, so wie man ein Kind in Schlaf einsingt,
wenn letzte Sterne sanken.

Die Sonne ruf ich an, das Meer, den Wind,
Dir ihren hellsten Sonnentag zu schenken,
den schönsten Traum auf Dich herabzusenken,
weil Deine Nächte so voll Wolken sind.

Und wenn Dein Mund ein neues Lied beginnt,
dann will ich Meer und Wind und Sonne danken,
weil Deine Augen so voll Trauer sind,
und Deine Stirn so schwer ist von Gedanken.

Ich hoffe so sehr, dass der Mund des Patienten irgendwann doch  ein „neues Lied beginnt“.  Ich hoffe so, dass ich eines Tages in sein Zimmer komme und Trost nicht mehr nötig ist, weil es ihm von Tag zu Tag besser geht. Denn bei aller Beschwörung von „heller Sonne am Tag und schönen Träume in der Nacht“: es bleibt ein großer Teil des Leids, der einfach ausgehalten werden muss, bis wir beide  „danke“ sagen können und „Endlich ist diese düstere Zeit vorbei.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26667
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