SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Maik ist geistig behindert – und er ist stolz. Ich kenne ihn aus meiner Konfirmandengruppe. Die Konfirmanden haben einen Gottesdienst gestaltet. Sie haben eine biblische Geschichte nachgespielt. Und Maik hatte einen Satz zu sagen „Das ist mein lieber Sohn.“ Als Maik diesen Satz an der richtigen Stelle im Gottesdienst gesagt hat, war er froh. Alles hat genau so geklappt, wie wir es geprobt haben. Wie viel Mühe es ihn gekostet hat, das war in dem Moment nicht mehr wichtig. Er hatte lange dafür geübt. Dann war alles prima. Stolz und mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht hat sich Maik wieder auf seinen Platz gesetzt. Zuhause hat er noch lange von diesem Moment erzählt, als er in der vollbesetzten Kirche seinen Satz gesagt hat: „Das ist mein lieber Sohn.“

Froh sein, so wie Maik, und zufrieden sein damit, was einer geschafft hat - das ist eine ganz besondere Form von Stolz. Dieser Stolz ist nicht überheblich. Dieser Stolz macht andere nicht klein, um sich über sie zu erheben. Im Gegenteil, er bleibt ganz bei sich. „Ich bin stolz, denn so, wie es ist, ist es richtig.“ Das englische Wort für „stolz“ ist „pride“. Und es gibt eine Bewegung, die dieses Wort als Programm benutzt: Die Pride-Bewegung. Ich sage laut und stolz, wie ich bin. Ich verstecke mich nicht. Ich bin nicht krank, weil ich so bin, wie ich bin.

Heute ist der 18. Juni, der als „Autistic pride day“ begangen wird. Autismus ist auch eine Behinderung.
Menschen mit Autismus erleben die Welt als eine verwirrende Fülle von Eindrücken. Vieles ergibt für sie keinen Sinn oder macht ihnen Angst. Manche Autisten können nicht sprechen oder wirken in sich selbst zurückgezogen. Weil Autismus so sehr unterschiedliche Formen hat, sind die meisten Leute nicht sehr vertraut damit und wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen.
Menschen mit Autismus sollen von der Gesellschaft akzeptiert werden. Das will der Autistic pride day erreichen.

Maik braucht dafür keinen Extra-Tag. Er hat mit strahlendem Gesicht erzählt, was Gott gesagt hat: „Du bist mein lieber Sohn“. Ich glaube, da haben alle verstanden: Das gilt natürlich auch für Menschen wie Maik. Jeder ist ein Mensch, den Gott liebt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26659
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