SWR1 Begegnungen

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Jonas Bedford-Strohm, Foto: Fabian Stoffers

Peter Annweiler trifft Jonas Bedford-Strohm

Keine Angst vor digitalem Wandel!

Der 26jährige Münchner bewegt sich wie die Meisten in seiner Generation  ganz selbstverständlich in der „digitalen Welt“. Und weil er auch in der Kirche zu Hause ist, hat er eine besondere „Mission“. Er hat einen „Kultur-Clash“ entdeckt 

zwischen den Jugendkulturen, die ich so wahrgenommen hab und den kirchlichen Kulturen, in die ich auch reingeboren bin. Und ich wollte helfen, diese Kluft zu überbrücken - und hab deswegen inhaltlich geforscht für meine Masterarbeit, aber dann irgendwann auch gemerkt, dass ich mich praktischer engagieren möchte.

Ich treffe den smarten Mann bei seinem Vortrag über die „Kirche und ihre digitale Kultur“  -  eher so eine Art „Nachhilfe-Veranstaltung“ für Menschen in meiner Ü-50- Generation - und ich bin begeistert. Davon, dass Jonas Bedford-Strohm in der Digitalisierung keinen Heilsweg sieht - und gleichzeitig keine Alternative kennt.
Eben deshalb forscht er an der Jesuitenhochschule daran, wie sich der digitale Wandel auf die Arbeit der Kirchen auswirkt.

Früher haben wir wahnsinnig viel Energie und Liebe und auch Geld investiert in große, große Kirchengebäude. Die sind so wunderbar sichtbar, bis heute -wir freuen uns alle an diesen riesigen Kirchenbauten, aber viel von unserer Zeit wird nicht mehr im Stadtkern verbracht, sondern auch im digitalen Raum.

So habe ich  noch nie darüber nachgedacht: Was die früheren Baumeister in Kathedralen umgesetzt haben, könnte, ja müsste man heute auch für den digitalen Raum umsetzen: Räume schaffen, in denen Menschen sicher sind und  gestärkt werden,  in denen sie eine Verbindung von „Gott“ und „Welt“ finden. Statt dessen werden die digitalen Räume von Seiten der Kirche noch eher vernachlässigt - und manchmal spürt man einen ängstlichen Pessimismus.

Wenn jetzt auch noch die Kirche einsteigt in den Chor der Ängstlichen - ich glaube, das ist genau nicht das, was man sich von Kirche erhofft. Nämlich, was man sich von Kirche erhofft, ist Hoffnung. ist genau ne Perspektive, die über diese Angst im Moment hinaus geht.

Keine Berührungsängste vor digitalen Räumen - das ist die Devise von Jonas Bedford-Strohm. Und  trotz aller Offenheit bleibt dem Medienethiker eines wichtig: 

Ich glaube tatsächlich, dass in den Momenten, wo man sich verletzlich fühlt, wo man gerade eine Niederlage erlitten hat, wo man eine Sinnlosigkeit verspürt, dass da man plötzlich offen wird für das, was einem in den Hoch-Zeiten gar nicht in den Sinn gekommen ist. 

Es ist diese Bedürftigkeit, die nach einer echten Begegnung ruft, nach helfender Begleitung, nach Seelsorge. Und dafür gibt es durch den interaktiven Charakter des Netzes  auch viele gute digitale Möglichkeiten. Sie werden ja schon genutzt, etwa in interaktiven Blogs oder in den Chats der Telefonseelsorge. Wenn es nach Jonas Bedford-Strohm geht, lässt sich das alles aber  noch kräftig ausbauen.  Welches Menschenbild ihm dabei wichtig ist  -

Teil 2: fehlerfreundlich und innovativ

Jonas Bedford-Strohm ist sechsundzwanzig, hat Theologie und Philosophie studiert - und ist in beidem zu Hause:  In digitalen wie in kirchlichen Räumen. Klar - als  Sohn des  EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm hat er eine starke kirchliche Prägung - und die hat seinen Weg geformt.

Vierhundert, fünfhundert Jahre zurück in meinem Stammbaum sind lauter Pfarrer, das heißt ich hab ne sehr deutsche, kirchliche, protestantische Sozialisation – aber gleichzeitig gibt es auch ein paar Elemente, die nicht ganz so traditionell sind.

Vielleicht ist er deshalb andere Wege gegangen und nicht Pfarrer geworden. Stattdessen versucht er digitale und kirchliche Welt zusammen zu bringen. Und da gibt es viel Bedarf. Etwa bei Menschen wie mir. Ich bin manchmal schon skeptisch, ob Digitalität nicht auf Kosten von persönlichen Begegnungen geht und uns eher kontrolliert als befreit. Doch Jonas Bedford-Strohm zieht mir den Zahn, dass es ein „Entkommen“ gäbe. Viel eher geht es darum, verantwortlich mitzugestalten und uns gleichzeitig nicht zu überfordern.

Wir machen das als Kultur ja alle zum ersten Mal. Auf Facebook sind 2 Milliarden Menschen vernetzt. So was gab’s noch nie in der Geschichte –  wir dürfen den Anspruch an uns selbst dort nicht zu hoch hängen.

Digitalität soll dem Menschen dienen und nicht umgekehrt - daran liegt dem Medienspezialisten. Und um sich angesichts dieser Herausforderung nicht zu überfordern, bleibt es wichtig,

dass ich versuche, meine eigenen Sachen so gut wie möglich auf die Reihe zu kriegen, aber eben mich nicht fertig mache, wenn es nicht funktioniert -  wo wir an was erinnert werden, was eigentlich bei uns  in den  theologischen Grundannahmen drin steht:Dass wir nicht Gott sind, aber dass wir gerechtfertigt sind aus Gnade und deswegen frei sein können, auch nen Fehler zu machen.

Auch wenn das Netz dazu verführt: Wir sind nicht Gott - und deshalb „menschelt“ es auch in digitalen Räumen. Auch die „Cracks“ - und allzumal die Konzerne -  sind versucht, sich „allmächtig“ zu fühlen - und ein anderes Mal gibt es viele Fehler und die Schuld liegt immer bei den anderen. Deshalb gilt es gleichzeitig fehlerfreundlich und innovativ zu sein, sagt Jonas Bedford-Strohm zu seinem Menschenbild. Und genauso wichtig bleibt es, auch digital  für die anderen da zu sein.

Persönlich erlebe ich die spannendsten Gespräche über Religion, über Glaube, über Gott, über Christentum dann, wenn es eine echte Situation gibt, wo jemand Hilfe braucht. Deswegen glaube ich, dass wir unser Gespräch über Digitalität auch nicht nur an irgendwelchen Öffentlichkeitsarbeitskonzepten orientieren sollten, sondern auch unsere Seelsorgeerfahrung anschauen sollten

Wenn Menschen sich täglich mehrere Stunden in digitalen Räumen aufhalten, ist es wichtig für die Kirche, dort auch präsent zu sein. Und am besten mit „Kern-Angeboten“: Mit stärkenden Begegnungen und mit Seelsorge. Jonas Bedford-Strohm hat mich davon überzeugt, wie wichtig das ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26635
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