SWR3 Gedanken

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Damals waren Wege klar. Wenn man wie Barbara Ende des dritten Jahrhunderts als Tochter eines reichen Kaufmannes geboren wurde, war der Weg klar. Einen angesehenen Mann heiraten, Kinder bekommen, den Haushalt versorgen. Und den Mund halten. Der Weg war klar. Aber Barbara nahm einen anderen. Damals. Im dritten Jahrhundert.

Die schöne junge Frau mit dem scharfen Verstand wollte selber denken, wollte Christin werden. Und mit einer Hartnäckigkeit, die ihresgleichen sucht, verfolgte sie diesen Weg. Mit List und Phantasie erreichte sie, dass sie getauft wurde. Ganz und gar gegen den Willen ihres Vaters. Der war scharf auf die andere Laufbahn. Als Gattin und Mutter. Als Abziehbild ihrer Zeit. Und damit vertrug sich ein Leben als Christin damals noch nicht.

Barbara heißt auf Deutsch „die Fremde, die Andere, die Wilde“. Und das muss sie wohl gewesen sein. Fremd und anders und wild. Denn sie wirkt in der Tat fremd in jener Zeit, anders als alle anderen und wild für ihre Zeitgenossen. Und der Preis, den sie dafür zahlt, ist der Tod. Ihr eigener Vater liefert sie dem Henker aus. Weil er den Gedanken nicht erträgt, dass seine Tochter derart aus der gesellschaftlichen Reihe schert.

Auf dem Weg ins Gefängnis verfängt sich ein Zweig in ihrem Kleid. Sie stellt ihn in ihr Trinkgefäß. Am Tag ihrer Hinrichtung blüht der Zweig. Und das ist noch immer Brauch am heutigen Barbaratag. Einen Zweig in ein Wasserglas stellen, auf dass er bis Weihnachten Blüten treibt. Zur Erinnerung an Barbara. Die Fremde, die Andere, die Wilde. Der die Liebe Gottes wichtiger war als die rauhen Regeln ihrer Zeit.

Und wenn ich diesen Zweig betrachte, strahlt seine Symbolkraft hinein in meine Welt. Ich sehe die Blüten, die mitten im Winter ihre liebliche Pracht entwickeln. So wie die Liebe Gottes, die immer wieder in die rauhen Regeln unserer Welt hineinblühen will - mit zärtlicher Widerspenstigkeit Die ganz oft gerade dann Blüten treibt, wenn es winterkalt in Menschenseelen ist. Und die auf ihre Weise Menschen Mut macht, ihren Weg zu gehen. Eben nicht als Abziehbild ihrer Zeit.

Wie wär’s? Suchen Sie sich doch heute einen Zweig und stellen ihn in ein Wasserglas. Auf seine stille Weise wird er es vielleicht schaffen, den Advent in ihr Herz hineinzublühen. Die Ankunft von Gottes Liebe in unserer Welt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2658
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