SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Abenddämmerung. Ich komme nach Hause. Erschöpft. Ausgelaugt. Ich schließe die Haustür auf. Meine Hand tastet nach dem Lichtschalter. Ich halte kurz inne. Ziehe die Hand zurück. Schließe die Tür hinter mir. Taste meinen Weg durch die Dunkelheit. Nur mal so. Weil die Welt in der Dämmerung anders aussieht. Finde ich meinen Weg?

Ich finde meinen Weg. Gehe durch Türen, spüre die vertrauten Kanten und Ecken. Schließlich bin ich angekommen. Bei meinem Sessel. In dem ich so oft sitze. Bei Licht. Umgeben von tobenden Kindern, von einem plärrenden Fernseher, von den Ansprüchen des Alltags. Jetzt ist es dunkel. Ich setze mich.

Ich bleibe sitzen. Für eine ganze Weile. Ohne Licht. Ich spüre, wie meine Augen sich gewöhnen. An das Dunkel. Ich sehe Umrisse. Der Schrank, das Klavier, das Bild an der Wand. Nur Schemen. Die Welt sieht anders aus ohne Licht. Vertraut und gleichzeitig fremd.

Ich bleibe sitzen. Für eine ganze Weile. Spüre meinem Atem nach. Hänge meinen Gedanken nach. Komme zu mir selbst. Und irgendwann ist der Punkt erreicht. Wo ich mich nach Licht sehne. Nach einem Licht, das der Dunkelheit ihre Geborgenheit läßt und gleichzeitig ihre Schrecken bannt. Denn beides kann die Dunkelheit: Sie kann eine trostreiche Hülle sein. Und sie kann uns Angst einjagen.

Also taste ich auf dem Tisch nach der Kerze. Die immer da steht. Ich zünde sie an. Ein winziger Lichtpunkt in all der Dunkelheit. Nur ein Glühen, das kaum der Rede wert bist. Bis die Flamme sich in den Docht frisst, sich vom Wachs ernährt und größer wird. Ihr Schein wirft Schatten an die Wand. Ihr Licht dringt in den letzten Winkel des Zimmers. Zuckt voller Leben, wirft flackernd Schatten auf die Wand, mildert die scharfen Konturen.

Ich bleibe sitzen. Und kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal solchen Frieden verspürte. An der Grenze zwischen Dunkel und Licht, zwischen Licht und Dunkel. Und wenn ich heute die erste Kerze an meinem Adventskranz entzünde, dann werde ich mich daran erinnern. Dass es manchmal seinen Sinn hat, das Dunkel auszuhalten. Weil ich erst dann um den Wert des Lichtes weiß. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten ersten Advent.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2656
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