SWR4 Abendgedanken

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... nicht aber die Stimme der Gerechtigkeit.“

Meine Schwägerin Theresa wohnt seit zwei Jahren in El Salvador. Sie arbeitet dort für eine Menschenrechtsorganisation. Ihre Aufgabe ist es, Familien zusammen zu führen. Vor rund 30 Jahren hat die Militärdiktatur vielen Eltern ihre Kinder weggenommen. Die Militärs haben Urkunden gefälscht und die Kinder zur Adoption freigegeben. Nun begegnen Eltern ihren Kindern wieder, die sie seit Jahrzehnten nicht gesehen haben. Und erst heute erfahren viele dieser Kinder, wer ihre wahren Eltern sind.

Theresa könnte auch in Deutschland arbeiten. Da wäre es für sie und ihre Familie viel sicherer und bequemer. Denn Theresa und ihre Kollegen müssen aufpassen, wenn sie nach den Angehörigen suchen. Keiner der Täter von damals sitzt heute im Gefängnis. Die Verbrechen der Militärdiktatur bleiben ungesühnt.

Theresa will trotzdem dort arbeiten. Ihr großes Vorbild heißt Oscar Romero. Romero hat sich als Erzbischof für Gerechtigkeit in El Salvador eingesetzt. Er lässt sich nicht einschüchtern, als er deswegen Morddrohungen erhält. Er stellt sich auf die Seite der armen Bauern, die gegen die Militärdiktatur protestieren. Einige raten ihm, er solle das Land verlassen. Romero antwortet ihnen: „Mich kann man töten, nicht aber die Stimme der Gerechtigkeit.“

Vor 38 Jahren feiert Romero einen Gottesdienst in einer Krankenhauskapelle. Da trifft ihn die Kugel eines Scharfschützen und Romero stirbt. Daraufhin beginnt ein Bürgerkrieg, von dem sich das Land bis heute nicht erholt hat.

Es ist schrecklich, wie viel Gewalt und Ungerechtigkeit noch immer in El Salvador herrschen. Ich bewundere Menschen wie Theresa und ihre Kollegen, die sich für Gerechtigkeit einsetzen, obwohl es gefährlich ist. Sie tun alles dafür, dass Menschen zu ihrem Recht kommen. Dass tiefe Wunden langsam heilen können. Der Frieden kann erst wachsen, wenn das, was passiert ist, nicht länger totgeschwiegen wird.

Vor drei Jahren hat Papst Franziskus Oscar Romero seliggesprochen. Damit wir ihn nicht vergessen und uns daran erinnern, wie mutig dieser Mann war. „Mich kann man töten, nicht aber die Stimme der Gerechtigkeit.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26553
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