SWR3 Gedanken

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„Ich hab mir jetzt auch mal so einen Liefer-Sklaven kommen lassen.“ Das erzählt mir mein Bruder Markus am Telefon. „Wie, Liefer-Sklave? Wie meinst du das?“ Mein Bruder erklärt: „Naja, so einen Fahrradkurier. Den bestellst du per App und der holt dir dann deine Pizza beim Lieblingsitaliener ab und bringt sie dir.“ Markus erzählt mir weiter: „Das habe ich jetzt erst einmal gemacht, aber das hat was. Du kannst auf dem Smartphone genau verfolgen, wo dein Radfahrer gerade ist, ob er noch in der Schlange ansteht für die Pizza oder ob er schon über die Kreuzung bei dir um die Ecke drüber ist. Es ist krass. Du siehst das im Handy und dann klingelt es ein paar Sekunden später bei dir an der Haustür.“ Soweit mein Bruder.

Gehört habe ich schon von Lieferando, Foodora, Deliveroo und wie sie alle heißen. Und ich weiß auch, dass die Leute, die den Lieferdienst übernehmen, ziemlich schlecht bezahlt werden, obwohl der Job hart ist. Stundenlang durch die Stadt fahren, immer abhängig davon, ob jemand bestellt oder nicht.

Mein Bruder Markus weiß das auch. Er ist ein ziemlich kritischer Zeitgenosse. Politisch interessiert und immer auf dem Laufenden. Ihm ist auch klar, dass die Arbeitsbedingungen bei den Fahrradkurieren miserabel sind. Und er weiß nicht so recht, ob er ein schlechtes Gewissen haben soll, weil er das System mit den miesen Arbeitsbedingungen ja irgendwie unterstützt, wenn er sich so die Pizza bringen lässt.

„Hast du eigentlich Trinkgeld gegeben?“ habe ich meinen Bruder am Telefon noch gefragt. „Ja, zwei Euro. Klar, die machen es irgendwie auch nicht viel besser.“ Und weiter sagt Markus: „Aber immerhin sage ich dem Kurier damit: ich benutze dich nicht nur, weil ich grade bequem bin. Ich sehe deine Arbeit und sage damit: Danke.“

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