SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Ich habe manchmal Angst, zu kurz zu kommen. Das war zum Beispiel so, als ich vor Kurzem zu einem Kinderflohmarkt gefahren bin, um einen Autositz für mein Enkelkind zu kaufen. Als ich an beim Flohmarkt, angekommen war, hatte sich vor der Hallentür schon eine lange Schlange gebildet. Viele Mütter, Väter, Opas und Omas waren früher als ich da.  Ich habe mich hinten angestellt und überlegt: Wie viele Mütter und Väter kommen vor mir in die Halle? Wie viele von denen wollen bestimmt auch einen Kindersitz kaufen? Und wie viele passende Kindersitze werden da heute überhaupt angeboten? Ich bekam Sachweißausbrüche und dachte in leichter Panik: Bis ich an der Reihe bin, sind bestimmt alle guten Autositze weg. - Da war sie wieder: diese Angst, zu kurz zu kommen.

Ich kenne diese Angst auch von vielen anderen Situationen. Für Menschen wie mich gibt es eine Bitte im Vaterunser.  Sie heißt „Unser tägliches Brot gib uns heute“. Ich habe mal gelernt, dass mit dem „täglichen Brot“ nicht nur Backwaren gemeint sind, sondern alles, was ich zum Leben brauche. Ich bitte Gott also, dass er mir alles gibt, was ich nötig habe. Und zwar dann, wenn ich es nötig habe. Mich macht die Unsicherheit oft unruhig. Ich hätte gern alles schon im Voraus und würde am liebsten von allem Vorräte anlegen, damit mir nichts fehlt. Von Jesus lerne ich im Vaterunser, dass da sein wird, was ich brauche. Heute. Und morgen auch wieder. Darauf möchte ich vertrauen können.

Dann müsste ich mir nicht so viele Sorgen machen. Das würde mir auch helfen, abzugeben, wenn ich sehe, wo andere etwas nötig haben. Ich muss nicht alles horten und aufhäufen für den Notfall.

Jesus, vom dem wir Christen das Vaterunser gelernt haben, hat einmal gesagt: „Sorgt euch um nichts, denn euer Vater im Himmel weiß, was ihr braucht“ (nach Mt 6, 31f). Diese Worte helfen mir gegen die Angst, zu kurz zu kommen. Wenn viele in unserem Land diese Angst nicht hätten – ich glaube, dann würde es auch für die reichen, die jetzt wirklich zu kurz kommen.  – Übrigens: Den richtigen Kindersitz habe ich damals auf dem Flohmarkt auch bekommen, obwohl ich ganz hinten in der Schlange stand.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26520
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