SWR4 Abendgedanken

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Als Seelsorger habe ich die Erfahrung gemacht: Viele Menschen sind einsam. Sie leben zurückgezogen, bekommen selten Besuch. Sie haben keinen festen Ansprechpartner, um sich auszutauschen. Niemanden, der sie korrigiert, wenn sie sich in eine Sache verrennen. Auch keinen, der sie aufmuntert, wenn sie in ein Loch zu fallen beginnen. Wenn ich Besuche bei älteren Leuten aus der Gemeinde gemacht habe, war das oft mit den Händen zu greifen: Wie sehr haben sie sich gefreut! Aber auch bei Jüngeren habe ich gemerkt, dass sie anfangen, eigenartig zu werden, seltsam, wenn sie immer auf sich selbst gestellt sind. Ein Seelsorger kann die Einsamkeit nur für eine kurze Zeit überbrücken. Das Grundproblem lösen kann er nicht. Können die Betreffenden selbst etwas gegen ihre Einsamkeit tun? Mir sind ein paar kleine Tipps dazu in den Sinn gekommen.

Zuerst muss man kapieren, was einen einsam macht. Dass ich mich missverstanden fühle oder unbeachtet oder weil ich anderen eine Rolle vorspiele. Paare können sich in einer Routine verlieren, in der nur noch über Organisatorisches gesprochen wird. Dann hilft es, seine Gefühle auszusprechen, auf den Partner zuzugehen, wieder wirklich etwas zusammen zu unternehmen oder sich im Zweifel professionelle Hilfe bei einer Beratung zu suchen.

Ganz wichtig ist es, sich gut um sich selbst zu kümmern. Oft sind es Kleinigkeiten, die dabei gut tun: In der Wohnung einen Strauß Blumen aufstellen, obwohl gar kein Besuch kommt. Etwas Besonderes für sich selbst kochen. Die Lieblingsmusik hören. Die Liste lässt sich beliebig erweitern. Um die Einsamkeit zu bekämpfen, hilft es, sich mit sich selbst zu beschäftigen, und sich seiner liebenswerten Seiten bewusst zu werden.

Menschliche Kontakte sind in jedem Fall hilfreich. Besonders positiv fürs Gemüt kann es sein, anderen Hilfe anzubieten - etwa, wenn jemand verloren an der Straßenecke steht und offenbar den Weg nicht weiß, rätselnd vor dem Fahrplan steht oder mit dem Kinderwagen vor der Treppe. Wenn man dann Hilfe anbietet, kommt man ins Gespräch, erhält Wertschätzung und hat etwas Gutes getan. Aus solchen kurzen Begegnungen entstehen natürlich nicht sofort Freundschaften. Aber sie sind ein Anfang auf dem Weg aus der Einsamkeit.

Ein letzter Tipp: Rausgehen, auf Menschen zu. Wenn es die Zeit erlaubt, kann ein Ehrenamt gegen Einsamkeit helfen. Auch Haustiere erleichtern es häufig, mit anderen ins Gespräch zu kommen, genauso wie Mannschaftssport, Stammtischbesuche oder Gruppenreisen.

Das sind nur ein paar Möglichkeiten, die es immer gibt. Nur den ersten Schritt muss halt jeder erst mal selbst unternehmen. Wer sich davor fürchtet, dem wünsche ich Mut, es trotz allem zu wagen. Oder sich jemandem anzuvertrauen, wenn es gar nicht geht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26477
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