SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Hinter mir im Zug sitzt ein junger Mann - so Anfang 20. Er ist gerade eingestiegen und offensichtlich total genervt. Sein Handy klingelt. Und dann geht’s los. „Ihr Idioten. Wenn man euch einmal was machen lässt. Immer geht das schief wenn ich Zug fahren will. Jetzt muss ich ganz anders fahren, weil ihr mir so eine dämliche Fahrkarte gebucht habt. Ihr seid selbst dazu zu blöd.“ Kurze Unterbrechung. Ich atme auf. Leider nur kurz, das Netz war weg. Dann geht’s weiter. Im gleichen Ton, gleich laut.

Mir ist das sehr unangenehm. Ich will das nicht mitkriegen. Im ganzen Abteil macht sich komische Stimmung breit. Ich kann das richtig spüren. Irgendwo zwischen fremdschämen und sich ärgern.

Ich überlege, ob ich was sagen soll. Ich werde richtig nervös, bin hin und hergerissen. Was hält mich ab? Ich habe Angst. Vor dem Typen und seiner Reaktion und vor den anderen Leuten. Und was soll ich sagen?

Ich hab jedenfalls nichts gesagt. Und war und bin unzufrieden. Jetzt im Nachhinein ist mir klar, dass es richtig gewesen wäre, den Mann anzusprechen. Und ihn nicht anzugreifen. Ein freundlicher Spruch á la: „Manchmal läuft alles anders als geplant, was?“ oder „Blöder Tag heute!“ hätte ihm vielleicht ermöglicht, durchzuatmen und mir unter Umständen sogar zu erzählen, was ihn eigentlich so auf die Palme bringt.

Ich kenne das selbst. Ich bin recht impulsiv. Und manchmal ist es der passende lockere Spruch von meinem Mann: „Beiß ins Kissen, das hilft.“ Dann ist kurz Motz-Pause und ich muss lachen. Und schon sieht die Welt anders aus. Entweder kann ich dann erzählen, was mich nervt oder es ist schon nicht mehr so wichtig. Vielleicht hätte dieser Spruch ja sogar den Zug-Schnauzer zum Lächeln gebracht.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26446
weiterlesen...