SWR3 Gedanken

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Er ist ein Held, ein Halbgott - nicht in weiß - in blau. "Nein, i wo“, sagt Thomas im blauen Pflegekittel, aber meine Tante, die ich nach ihrem Infarkt besuche, sieht ihm genau so entgegen. Thommy, blauäugig und dunkellockig, ist der Liebling der Station. Er strahlt seine Patientin an, als hätte er – im Minutentakt der Handgriffe - alle Zeit der Welt. „Ein Schatz“, säuselt die Tante. Und ein seltener dazu.

Wer will schon Bettpfannen und Windeln wechseln, noch dazu als Mann? Im Schichtdienst, gehetzt, überarbeitet, übermüdet. Ohne Pflegekräfte aus Polen oder Tschechien stünden, besser lägen wir ganz schön alt da. Der Notstand ist lange bekannt. 8.000 neue Kräfte von 35.000 fehlenden sollen ausgebildet werden. Peinlich. „Ja, schlecht angesehen sind wir, aber dafür auch schlecht bezahlt“, meint Thomas süffisant. „Klar, mehr Geld würd ich sofort nehmen, aber das hier würde ich mir nie nehmen lassen. Für mich ist das Nächstenliebe. Und - ich hab auch was davon“, zwinkert er meiner Tante zu.

Und sie kichert wie ein junges Mädchen. Er klopft ihr Kissen zurecht und sagt beim Gehen: “Ich brauche das Lachen, es baut mich auf." Thomas. Nein, er ist kein Halbgott in blau. Er ist viel mehr: ein Mensch. Eine männliche Florence Nightingale. In Erinnerung an sie, die britische Krankenschwester, ist heute der Tag der Pflege. Sein Tag. Wenigstens einmal im Jahr.

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