SWR3 Gedanken

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Was hat Maria, die Mutter Jesu, mit dem heutigen „Tag der Arbeit“ zu tun? Auf den ersten Blick wenig. OK, Marias Mann Josef war Zimmermann. Aber sonst? Sie wirkt aus heutiger Sicht eher ein bisschen abgehoben, weil sie meist mit Krone und prächtigen Gewändern dargestellt wird. 

Aber Maria war bestimmt eine ganz normale Frau. Mich fasziniert ein Gemälde, auf dem zu sehen ist, wie Maria den kleinen Jesus übers Knie gelegt hat und ihm einen Klapps auf den Popo gibt. Wahrscheinlich weil der Kleine genauso eigenwillig war wie die meisten Dreijährigen. Das Bild macht deutlich, dass Maria alles andere als abgehoben war. Ich schätze, dass sie bestimmt schwielige Hände vom Wasserholen und vom Feuermachen hatte. Und dass es den ein oder anderen Krach mit Josef gegeben hat. 

An einer Stelle in der Bibel wird deutlich, dass Maria auch rebellische Züge hat. Eines Tages nämlich singt sie ihrer Verwandten Elisabeth einen Text vor, der bis heute in der Kirche gesungen wird. Da heißt es: „Meine Seele preist die Größe des Herrn. Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.“ 

Diesen Text muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Gott stürzt die Macher vom Thron, er macht die Niedrigen mächtig, er beschenkt die Armen und die Reichen schauen in die Röhre. Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer hat gesagt: „Dieses Lied der Maria ist das leidenschaftlichste, wildeste, ja man möchte fast sagen revolutionärste Lied, das je gesungen wurde.“ 

Und so passt Maria doch zum heutigen Maifeiertag, der ja aus der Arbeiterbewegung stammt.

Heute wird dafür demonstriert, dass Arbeit gerecht bezahlt wird, und dass die Bosse sich nicht nur fürs Geld interessieren, sondern dafür, wie es ihren Beschäftigten geht. Ich bin sicher, das wären auch die Anliegen von Maria gewesen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26346
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