SWR3 Gedanken

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Emil ist vier und spielt total gerne auf meinem Akkordeon. Die zwölfjährige Lisa winkt jeden Morgen dem Busfahrer zu, wenn wir an ihrem Haus vorbeifahren. Ralf ist noch etwas älter und freut sich wie ein kleines Kind, wenn er im Wald dicke Äste zerbrechen darf. Emil, Lisa und Ralf haben das Down Syndrom. 

Ein juristischer Ausdruck macht zurzeit die Runde: „Wrongful Life“ – übersetzt heißt das „fehlerhaftes Leben“. Immer mehr Eltern verklagen die Ärzte, wenn ihr Kind krank zur Welt kommt. Die Ärzte hätten die Krankheit vor der Geburt erkennen müssen, dann hätte man das Kind abtreiben können. So aber müsse es ein „wrongful Life“ leben. 

Und deshalb wird in der Schwangerschaft immer mehr untersucht: Fruchtwasser, Nabelschnur, Nackentransparenz. Letztlich läuft alles auf die Frage zu, was ich als werdende Eltern wissen möchte und was nicht. Und wenn ich etwas erfahre, wie gehe ich damit um? 

Als meine Frau schwanger war, mussten wir uns auch Gedanken darüber machen, und das war gar nicht leicht. Denn einerseits haben wir die große Verantwortung für das Kind und für uns selbst gespürt. Und andererseits ist uns klar geworden, wie wenig in unserer eigenen Macht steht, wie wenig Kontrolle wir über das werdende Leben haben. 

Ich finde, der Begriff „wrongful Life“ ist irreführend. Er spielt damit, dass alles, was nicht perfekt ist, gleichzeitig fehlerhaft ist. Aber welches Leben ist schon perfekt? Fehler gehören doch dazu. 

Aus religiöser Perspektive sind Kinder Leben, und Leben ist immer von Gott geschenkt. Emil, Lisa und Ralf zum Beispiel: Wenn ich sehe wie gerne sie Musik machen, winken oder Äste zerbrechen, wie sie lachen, weinen oder kuscheln, dann würde mir nie einfallen, sie als fehlerhaft zu bezeichnen. Und auch die Eltern würden sie um nichts in der Welt eintauschen wollen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26344
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