SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Als Kind hab ich gehört: „Du darfst am Glauben nicht zweifeln.“ Zuweilen hat mir das ziemlich zu schaffen gemacht, weil ich doch an manchem gezweifelt habe, was ich so hörte. Später habe ich gelernt, es sei sogar Sünde, am Glauben zu zweifeln. Das hat mich fast zur Verzweiflung gebracht.

Erst als Student hab ich dann gemerkt, der Zweifel ist nicht Sünde, sondern notwendig. Er hilft, tiefer nachzufragen und so den Glauben mehr zu begründen.

Dann bin ich eines Tages auf den sogenannten ungläubigen Thomas gestoßen. Er ist der Apostel, der nicht an den auferstandenen Jesus glauben will. Der Tod Jesu hat ihn und die andern Jüngerinnen und Jünger tief getroffen. Alle Hoffnung auf eine bessere Welt ist zerbrochen. Jetzt erzählen ihm die andern, sie hätten den Auferstandenen gesehen. Das kann er nicht glauben. „Wenn ich nicht seine Wundmale berühre, glaube ich nicht.“

Als die Jünger wieder zusammen sind, ist Thomas bei ihnen. Der auferstandene Jesus begegnet ihnen und sagt zu Thomas: „Streck deinen Finger aus, hier sind meine Hände.“ Jesus tadelt den Thomas nicht, er erfüllt ihm seinen Wunsch. Thomas ist alles andere als ungläubig. Er will nur sich selbst überzeugen. Das ist  mir sympathisch.

Ich weiß, dass mir mein Glaube von Eltern, Pfarrern und Freunden vermittelt worden ist. Aber dann habe ich meine eigenen Erfahrungen gemacht. Das hat Spannungen erzeugt. Deshalb rebellieren junge Menschen auch immer wieder gegen die älteren. Das muss so sein, sonst gewinnen sie keine persönliche Glaubensüberzeugung. Dazu gehört auch der Zweifel. Er bewahrt mich vor blindem Glauben.

Wieviel Unheil hat blinder Glaube in der Geschichte der Menschen angerichtet! Ich denke an Ketzerverfolgungen, Kreuzzüge, Hexenverbrennungen. Ein schreckliches Beispiel für mich ist auch Rudolf Höß, Lagerleiter im KZ Auschwitz von 1940-43. Unzählige Menschen hat er auf dem Gewissen. Im Nürnberger Prozess 1947 hat er sich zu rechtfertigen gesucht und auf sein angeblich christliches Gewissen berufen. Dies gebiete ihm, alle Befehle „von oben“ blind auszuführen.

Umso dankbarer bin ich den Menschen, die in jener Zeit nicht blind geglaubt haben, sondern so reagiert haben wie die Geschwister Scholl, der Theologe Dietrich Bonhoeffer, der Jesuitenpater Alfred Delp und viele andere Unbekannte. Ich bin auch bis heute meinem Vater dankbar. Er hat keine höhere Schulbildung gehabt, aber gespürt, dass mit Hitler und den Nazis etwas nicht gestimmt hat. Darum hat er sich geweigert, ihnen nachzulaufen.

So braucht der Glaube den Zweifel, sonst verfällt er leicht einem Fanatismus, der am Ende über Leichen geht. Dagegen zeigt Thomas uns, wie wichtig es ist, mit den Wundmalen des Leibes Christi solidarisch zu werden, nämlich mit den Menschen, die leiden, denen das Recht auf ein menschenwürdiges Leben verwehrt wird.

 TEIL 2

Wer an den Auferstandenen glaubt, tut es nicht blind oder egoistisch. Sein Glaube ist eingebettet in die Gemeinschaft mit anderen, die mit ihm glauben, zweifeln, aber vor allem lieben. Eine besondere Form dieser liebenden Gemeinschaft erleben in der Osterzeit die Kinder vieler katholischer Gemeinden. Sie empfangen in der Erstkommunion den Leib Christi, der sie mit der ganzen Menschheit verbindet. Denn nicht nur die Christen, nein, alle Menschen zusammen bilden den Leib des Auferstandenen. Sie sind seine Glieder.

Darum ist dieser Tag ein wichtiger Abschnitt im Leben der Kinder und im Leben einer Kirchengemeinde. Denn eine christliche Gemeinde lebt nicht für sich selbst, sie weiß sich verbunden mit der ganzen Menschheit.

Die Kinder erhalten in manchen Gemeinden ein weißes Gewand, das sie über ihre Kleidung streifen. Das ist keine Uniformierung, sondern drückt aus, dass alle dieselbe Würde von Gott empfangen haben. Dies hat seinen Ursprung in der frühen Christenheit. Wer in der Osternacht getauft worden ist, hat ein weißes Gewand bekommen als Zeichen seiner neuen Würde. Er hat es bis zum Sonntag nach Ostern getragen und dann wieder abgelegt, „jedoch so“, sagt Bischof Augustinus im 5. Jahrhundert, „dass das schimmernde Weiß, das mit dem Kleid abgelegt wird, im Herzen bewahrt bleibt.“ Die Farbe weiß erinnert an die Auferstehung und das neue Leben in Gottes Herrlichkeit. Das ist der eine Aspekt der Erstkommunion.

Der andere zeigt den Kindern: Das Brot Jesu Christi ist ein Zeichen, das zum Teilen einlädt. So wie Jesus sein Leben an seine Mitmenschen verschenkt hat, so können wir unser Leben miteinander teilen – im Guten wie im Bösen, in der Freude wie im Leid.

Ich bin überzeugt: wenn die Kinder schon im frühen Alter dieses Teilen lernen, werden sie auch als Erwachsene dafür sensibel sein. Dann wird es weniger Hunger in der Welt geben, weil mehr Menschen teilen.

Was ist das Schöne am Teilen? Es ist nicht nur der Andere, der etwas bekommt, auch der, der teilt, bekommt etwas, nämlich die Freude des andern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26341
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