SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Er ist auch ein bisschen schuld daran. Schuld daran, dass ich Theologe geworden bin. Er war Jugendpfarrer in den 70er Jahren in meiner Heimatstadt. Und er war so ganz anders als die Priester, die ich bis dahin kennengelernt hatte. Er hat keine Priesterkleidung getragen, hat immer gerne diskutiert und  konnte gut Witze erzählen. War alles in allem ein fröhlicher Mensch und vor allem: Er hat nicht dauernd vom lieben Gott erzählt. Das hätte ich als Jugendlicher auch nicht ertragen. Denn mit langen Haaren und wirren Gedanken ist es mir mehr um die Kritik an der Gesellschaft gegangen, um Politik, um Hunger und Ungerechtigkeit. Heute würde man sagen: Um die Rettung der Welt. Er konnte beides zusammenbringen, das mit der Politik und dem lieben Gott. Ich muss an ihn denken, wenn ich in der Bibel den Satz lese: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die Euch erfüllt; aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig…“ (1 Petr 3,15) Er war immer bereit, meine Fragen zu beantworten und ist nicht der Versuchung erlegen, mir Antworten zu geben auf Fragen, die ich gar nicht hatte. Er hat  bescheiden zugehört und meine Fragen mit Respekt und Wohlwollen beantwortet.  Und ich habe ihn gefragt, was denn die Hoffnung ist, die ihn trägt. Und da hat er Rede und Antwort gestanden und von seinem Glauben erzählt. Von dem Glauben an den guten Vater im Himmel und von Jesus Christus, der mit seinem Leben gezeigt hat, das nicht Hass und Tod das letzte Wort haben. Das hat mich überzeugt. Und so bin ich denn selbst Theologe geworden.

Und muss heute aufpassen – wie alle Theologen -, dass ich nicht Fragen beantworte, die gar keiner stellt, sondern dass ich erstmal zuhöre.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26297
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