SWR2 Wort zum Tag

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Heute vor 60 Jahren, am 29. November 1947, haben die Vereinten Nationen die Resolution 181 verabschiedet. Palästina wurde geteilt und Jerusalem zur internationalen Stadt erklärt. Damit begann die Erfolgsgeschichte des Staates Israel, in dem die verfolgten und vertriebenen Juden aus Deutschland und vielen anderen Ländern eine neue Heimat und Zukunft gefunden haben. Zugleich aber war die Geschichte des neuen Staates Israel von Anfang an zwiespältig: durch Widerstände der britischen Mandatsmacht, durch Bedrohungen und terroristische Angriffe. Durch eine Reihe von Kriegen mit den Nachbarstaaten. Aber auch durch die planmäßige Vertreibung der arabischen Bevölkerung Palästinas, die heute von manchem israelischen Historiker als „ethnische Säuberung“ bezeichnet wird. Palästinenser wurden und werden gedemütigt und entrechtet. Und dies alles bis zum heutigen Tag. Alle Friedensbemühungen scheinen bisher zum Scheitern verurteilt zu sein. Die Geschichte des Staates Israel ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte und eine bedrückende Tragödie.
Die Existenz des Staates Israel hat – über alle historischen und politischen Fragen hinaus – eine tiefe theologische Bedeutung. Ich sehe darin einen Hinweis darauf, dass Gott den Bund mit seinem Volk Israel niemals aufgekündigt hat. Er hat diesem Bund ewigen Bestand verheißen. Die geschichtliche Existenz dieses Volkes – auch und gerade in einem eigenen Staat – kann ein Zeichen sein für die unerschütterliche Verlässlichkeit und Treue Gottes. Der Apostel Paulus betont, dass Israel von Gott geliebt ist – bis heute –, um Gottes Wahrhaftigkeit willen (Röm 11,28). Christen haben dies oft vergessen – obwohl wir im Magnifikat, dem Lobpreis Marias, immer wieder beten: „Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.“ (Lk 1,54 f) Erst das Zweite Vatikanische Konzil und nicht zuletzt Papst Johannes Paul II. haben uns das wieder in Erinnerung gerufen.
Ist das nicht eine gewagte theologische Deutung? Ich meine nicht. Ich sehe durchaus all die problematische Zerrissenheit, die diese Geschichte durchzieht. Das biblische Volk Israel hat das Unglück, die Schrecken, die Verfolgung, die es zu allen Zeiten erleiden musste, als Folge seiner eigenen Verfehlungen gedeutet. Die Psalmen, die Propheten sprechen oft davon. Aber wir lesen dort auch: „Gott wird Israel erlösen von allen seinen Sünden.“ (Ps 130,9)
Menschliche Schuld, unfassbare Tragik – und immer wieder das Vertrauen auf Gottes konsequente Liebe und Vergebung: Ist das die Botschaft an uns, weit über die Geschichte des Volkes und Staates Israel hinaus?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=2624
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