SWR2 Wort zum Tag

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„Seid fruchtbar und mehret auch – und füllt die Erde.“ - Das ist in der Bibel die erste Anweisung Gottes an die Menschen.
Heißt: Werdet viele Menschen! Macht die Erde zu einem Lebensraum für Menschen, macht sie bewohnbar. Heißt das auch: Ständig mehr – immer mehr? Ist das eine religiöse Aufforderung zu nicht endendem Wachstum? Ohne Grenzen?

Der Naturwissenschaftler und Umweltforscher Ernst Ulrich von Weizsäcker hat dazu – wie ich finde – eine interessante Beobachtung beigetragen: Er sagt, unser Denken sei bis in die Moderne von der Vorstellung einer leeren Welt geprägt. Die besagt, die leere Welt müsse von Menschen bebaut und kultiviert werden. So würde sie zum Lebensraum für viele.

Manchmal denke ich: Ja, dieses erste Gebot Gottes an die Menschen, das ist vielleicht das einzige, das die Menschheit gründlich und komplett erfüllt hat.

Doch heute, so von Weizsäcker, haben wir es mit einer vollen Welt zu tun. Das müssen wir uns klar machen. Es sind andere Voraussetzungen wie einst. Nur, wie kann es weiter gehen?

Die kapitalistische Produktionsweise –  das hat schon der junge Karl Marx scharfsinnig erkannt – kann aus sich selber heraus keine Grenzen ziehen. Sie ist triebhaft auf Wachstum angelegt.

Darum gibt es in unserem Land Regeln und Gesetze, die dem ungezügelten Wachstum Einhalt gebieten. Gut so. Es liegt am Souverän – an uns allen – ob wir Beschränkungen wollen.  Und v.a.: Ob wir uns selber beschränken wollen. Ob wir genug, genug sein lassen können.

Mich animieren immer wieder Lebensgeschichten von alten Menschen. Die erzählen von ihrem Lebensglück: Wie sie in der Nähe ihren Urlaub genossen haben, wie sie glücklich auf engem Raum zusammen gelebt haben – Nähe erlebt und genossen haben. Es geht offenbar auch anders – und ist gar nicht so lange her. Auch die Bibel – nach von Weizsäcker aus einer Zeit, wo die Menschen noch gar nicht an eine überfüllte Welt denken mussten –  kennt schon den Gedanken der glücklichen Beschränkung.

Menschen werden von Anbeginn angehalten, jeden siebten Tag, die Arbeit und jedes siebte Jahr den Acker ruhen zu lassen. Nicht alles auspressen – etwas übrig lassen, etwas stehen lassen.

Ich denke, solche alten Vorstellungen und Erfahrungen können heute Zukunft eröffnen. Nicht sauertöpfisch – aua ich verzichte – sondern freudig: Es geht auch ohne dies und das.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26233
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