SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Mit dem Ostersonntag beginnt – nach kirchlichem Brauch - eine siebenwöchige Osterzeit – bis Pfingsten. Doch irgendwie ist Ostern gefühlt eigentlich schnell passé.
Das „Fest der Auferstehung“. Gerademal zwei Tage. Und dann gleich wieder: Normalbetrieb. Nichts von wegen – wie so oft besungen – der Tod ist bezwungen -  ein „neuer Mensch“ ist erstanden – Halleluja – und mit ihm eine neue Welt.

Wieso ist der Osterjubel so flüchtig? Woran liegt das? Und was liegt da drunter?
Worte der Dichterin Eva Zeller geben mir eine Antwort. Sie schreibt in einem Gedicht:

Wann
wenn nicht
um die neunte Stunde
als er schrie
sind wir ihm
wie aus dem Gesicht geschnitten.

Nur seinen Schrei
nehmen wir ihm noch ab
und verstärken ihn
In aller Munde.

Den ersten Satz verstehe ich sofort: Das leuchtet ein, das kann ich so nachempfinden:
Ja, um die neunte Stunde, als Jesus am Kreuz schrie, da sind wir ihm – wie aus dem Gesicht geschnitten. Wer hat nicht Angst – wer kennt nicht Leid, Not und Hilflosigkeit – aus eigener Erfahrung. In diesem einen Schrei:  Wir wie er – er wie wir: Mein, Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Diesen Schrei der Verlassenheit aus Psalm 22 meint Eva Zeller. Den hat Jesus geschrien – heißt es im Markus- und Matthäusevangelium. Nur seinen Schrei nehmen wir ihm noch ab
Wirklich nur den Schrei? Warum nicht mehr? Kleben wir etwa an Schrecken und Schreckensbildern? Geben wir nur die weiter? Die Erbschaften der Ängste, der Verlassenheit, der Gewalterfahrungen? Verstärken wir nur die in aller Munde? Das wäre fatal – wirklich traumatisierend.

Warum soll alles andere – das schöne, heile, erfüllte  Leben – vor und nach Golgatha – nicht glaubhaft sein? Die Osterzeit geht weiter – bis Pfingsten. Ich kann es doch sehen, erleben, beachten und eben auch verstärken: Neuanfänge, Güte, Freude und Glück. Auch an der wieder erwachenden Natur. An blühenden Bäumen und singenden Vögeln. Die Osterzeit will zu Singen und Jubeln animieren.

Eva Zellers Gedicht ist mir eine Mahnung: So nicht! Ostern nicht verdrängen! Bleib nicht im Schrei der Gottverlassenheit stecken – öffne dich für neues Leben.
Selbst der Psalm, der mit dem Schrei der Verlassenheit beginnt, endet nicht so:
„Als er schrie“ – heißt es da – „hörte ihn Gott – und half ihm heraus.“

Das ist Ostern – das bedeutet – Jesus, auferweckt von den Toten. Befreiung und Rettung sind nahe, sind erfahrbar. Dafür will ich meine Augen öffnen und eben das verstärken. Für mich selber – wie für Andere.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26232
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