SWR2 Wort zum Tag

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Heute ist der 9. April. Jedes Jahr werde ich an diesem Tag an Dietrich Bonhoeffer erinnert. Es ist sein Todestag. Kurz vor Kriegsende haben ihn NS-Verbrecher im fränkischen Flossenbürg ermordet. 39 Jahre alt ist er geworden – und hat bis heute viele beeindruckt. Auch mich: Seine Frömmigkeit – die Lieder und Gebete –, wie Welt zugewandt er seinen Glauben gelebt hat, sein klares Nein gegen Hass und Gewalt, sein Einsatz im Widerstand, alles das. Ich frage ich mich oft: Woher hat er nur die Kraft dafür bekommen? Wie konnte Bonhoeffer diesen Weg gehen?

Zunächst, sah es so aus, als sei ihm ein ganz anderer Weg beschieden.
Als Sohn großbürgerlicher Eltern winkte eine glänzende akademische Kariere. Doktor der Theologie mit 21, Vikar in Barcelona, Habilitation mit 24, Dozent in Berlin und New York. Später schreibt er in einem Brief über diese Zeit:

„Ich stürzte mich in die Arbeit ... . Ein wahnsinniger Ehrgeiz, ... , machte mir das Leben schwer...  „ ... ich habe damals aus der Sache Jesu Christi einen Vorteil für mich selbst, für (m)eine wahnsinnige Eitelkeit gemacht.“  „Ich war bei aller Verlassenheit ganz froh an mir selbst.“ „... ich war noch kein Christ geworden, sondern ganz wild und ungebändigt mein eigener Herr.“ (DBW 14,112 f)

Mich beeindruckt dieser ungeschminkte Blick in den Spiegel: Ich habe mich verirrt – ich war komplett desorientiert. Wie kann das von alledem befreien, was ich mir sleber und anderen vormache.

Bonhoeffer benennt in diesem Brief auch den Grund für seine Lebenswende: „Dann kam etwas anderes, ... was mein Leben bis heute verändert ... und herumgeworfen hat. Ich kam zum ersten Mal zur Bibel.“ (ebd.) Wie bitte? Kann das sein? Ein Theologe, Professor und Pfarrer ohne Bibel? 

Wie meint er das? Er hatte doch die Worte der Bibel x-mal studiert, untersucht, erklärt und gepredigt. Mit einem Mal, so schreibt er, hat „mich die Bibel befreit“ – „insbesondere die Bergpredigt“. Da ist es passiert: Bibelworte sind nicht länger nur ein Gegenstand, den er untersucht. Bonhoeffer nimmt sie als persönlichen Zuruf: Lebe so!

Dieser Ruf trägt ihn in den Widerstand gegen Hitler und er trägt ihn in den Zeiten der Gefangenschaft – in Anfechtung und Trauer – in Angst und Zweifel – bis zuletzt.

Bonhoeffer ist kein buchstabengläubiger Fundamentalist geworden. Er blieb ein hellwacher Kopf, ein großer Denker und Intellektueller –und – hat im intensiven Gespräch mit Erfahrungen aus der Bibel gelebt. Hieraus hat er Kraft bezogen. Diese Kraftquelle ist bis heute nicht versiegt – steht mir und allen offen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26231
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