Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Ihre Ansprache gibt mir Kraft für meinen Alltag“ das ist ein Satz, den ich oft höre. „Ihre Ansprache gibt mir Kraft für meinen Alltag“ das ist ein Satz, der mir selbst Kraft gibt. Erst recht, weil ich um die Geschichten weiß, die zu diesem Satz gehören. Geschichten von Menschen, die weiß Gott einen härteren Alltag zu bewältigen haben als ich. Da ist die allein erziehende Mutter, die Kindererziehung und den anstrengenden Schichtdienst als Krankenschwester unter einen Hut bringen muss; da ist der Mann mit der an Alzheimer erkrankten Frau, der sich nach einem anstrengenden Arbeitstag auf den Weg ins Pflegeheim macht; da ist der ältere Herr, der um das Leben seiner kranken Frau bangt und mir von dem Vertrauen in die Gnade Gottes erzählt. Vor den Beispielen dieser Menschen habe ich großen Respekt. Und ich frage mich, wie kann eine einzelne Ansprache am Morgen ihnen Kraft für einen solchen Alltag geben? Ich glaube, das liegt daran, dass unsere Texte mit der Sehnsucht der Menschen zu tun haben, der Sehnsucht, dass der Sinn des Lebens mehr ist als das, was uns die Hochglanzprospekte der Werbung versprechen: Reichtum, Jugend, Schönheit und Gesundheit. Es ist die Sehnsucht nach Liebe, Annahme, Solidarität, Frieden und Gerechtigkeit. Die Ansprachen wecken diese Sehnsucht vielleicht, aber sie machen sie nicht.
Für gläubige Menschen verbindet sich diese Sehnsucht mit einer großen Hoffnung. Der Hoffnung auf einen, der bedingungslos ja sagt zu uns Menschen. Der nicht auf Attraktivität, Ansehen und Erfolg schaut. Der ja sagt zu uns, egal welche Runzeln, Macken, Schwächen wir haben, egal wie unser Leben verläuft. Und der sagt, dass der Tag kommen wird, an dem unsere Sehnsucht erfüllt wird. Der Glaube an diesen einen ist es letztlich, der die Kraft gibt den Alltag zu bewältigen. Deshalb glaube ich, dass unsere Ansprachen Gott nicht zu den Menschen bringen, sondern Gott immer schon vor uns da ist.





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