SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

 

„Bleib doch noch ein bisschen.“ Das hat mir der Gastgeber gesagt, als ich aufbrechen wollte. Die Besuchten hätten meine Gesellschaft wohl gern noch etwas länger gehabt. Schließlich haben wir intensive Gespräche über verschiedene Themen geführt. Wie sie ihren Glauben leben können in einer Welt, die Gott nicht mehr zum Maßstab des Lebens macht. Ihre Sorge darum, ob die Kinder eine gute Zukunft haben werden. Über ihre Angst, dass eine Krankheit das eng getaktete Leben durcheinanderwirft.

„Herr, bleibe bei uns, es wird Abend und der Tag hat sich geneigt“. So laden in der Bibel zwei Menschen ihren Begleiter zu sich ein. Den ganzen Tag sind sie unterwegs gewesen von Jerusalem in den kleinen Ort Emmaus.

Viel geredet haben sie unterwegs, denn die zwei hatten viel zu erzählen. Ihr ganzes Leben war durcheinandergeraten. Da sind sie dankbar gewesen, dass unterwegs einer dazugekommen ist und sie begleitet hat.

Mit Jesus hatten sie viel erlebt, als sie mit ihm unterwegs waren.

Höhepunkt ist für sie der Abend gewesen, an dem Jesus sie zum Mahl eingeladen hat.

Brot und Wein hat er ihnen gegeben, sein Leib, sein Blut. Immer, wenn sie zusammenkommen, sollen sie dieses Mahl feiern. Das ist sein Auftrag gewesen.

Doch danach ist für sie alles zusammengebrochen. Jesus wurde gefangen genommen. Verurteilt. Zum Tod am Kreuz.

Wenigstens konnten sie ihn beerdigen. So hatten sie einen Ort für ihre Trauer. Aber am dritten Tag war das Grab leer.

Deshalb sind sie dann weggegangen, nach Hause, um wenigstens ein Stück Normalität zu haben.

Diese Erfahrung machen auch bei uns viele Menschen. Sie möchten nach so einschneidenden Erfahrungen am liebsten weggehen. Irgendwohin, wo alles noch in Ordnung ist. Aber man kann nicht weglaufen, oder einfach schlafen und dann ist alles anders. Jeder Mensch muss die Trauer leben und jeder tut das auf seine eigene Weise.

Es tut dann gut, wenn andere da sind, die zuhören, die die Hand halten, die vielleicht ein Wort des Trostes finden.

Deshalb haben die beiden auf dem Weg den Fremden eingeladen, bei ihnen zu bleiben. Und beim Essen hat er ihnen das Brot gegeben und den Wein. Wie an jenem Abend einst ihr Freund Jesus. Da haben sie begriffen, es ist Jesus, es ist wahr, Jesus lebt.

Bei meinen Gastgebern bin ich übrigens noch auf einen Wein geblieben. Der Abend ist für uns alle eine echte Kraftquelle gewesen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26208
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