SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Die Feier des 800. Geburtstages der heiligen Elisabeth von Thüringen in diesem Jahr hat ein außergewöhnliches Echo gefunden. Festliche Gottesdienste in katholischen und evangelischen Kirchen, aber auch Gedenkmünzen und Sonderbriefmarken, wissenschaftliche Tagungen, Rundfunk- und Fernsehbeiträge und eine Reihe von Ausstellungen erinnern an die große Heilige des Mittelalters. 1207 am Königshof in Ungarn geboren. Verheiratet mit dem Thüringer Landgrafen Ludwig IV. Jung verwitwet, errichtete sie in Marburg ein Hospital für die Armen der Stadt, in dem sie die Kranken auch selbst pflegte. Sie starb mit 24 Jahren. Das Beispiel der Liebe zu den Armen Ihrer Zeit war so, dass sie bereits vier Jahre nach ihrem Tod heilig gesprochen wurde.
Eine der Ausstellungen, die in diesem Jahr an Elisabeth erinnern, fand ich im Museum ‚Schloss Neuenburg’ in Thüringen, zwischen Naumburg und Merseburg gelegen. Sie hat mich besonders angesprochen. Im Auftrag des ‚Europäischen Forums Frauen heute’ waren Fotos und kurze Interviews von mehr als 100 Frauen entstanden. Junge und alte Frauen verschiedener Herkunft, Ärztinnen und Hausfrauen, Journalistinnen, Studentinnen und Ordensfrauen geben Auskunft über ihre Lebensorientierung vor dem Hintergrund der heiligen Elisabeth.
Die Ausstellung auf ‚Schloss Neuenburg’ zeigt eine andere, ungewohnte Art der Heiligenverehrung. Sie stellt nicht die Geschichte der Heiligen in den Mittelpunkt, sondern das Zeugnis von Frauen, die darüber Auskunft geben, was Elisabeth für ihr Leben bedeutet, sie richtet den Blick auf diejenigen, die heute etwas von dem leben und praktizieren, was sie von der heiligen Elisabeth verstanden haben.
Ich wanderte von einem Gesicht zum anderen, verweilte beim einen oder anderen, und las die Sätze, die unter jedem Foto standen. Es waren Zitate aus dem Gespräch zwischen der Fotografin und den Frauen, Antworten auf die Frage: „Was bedeutet die heilige Elisabeth für Ihr Leben?“ Ich begann, intensiver hinzusehen, Angaben zu einzelnen Frauen genauer zu studieren. Ich ließ mich anziehen von den Runzeln im Gesicht der einen, dem Leuchten in der Augen der anderen, ließ mich überraschen durch das eine oder andere Kindergesicht dazwischen - und vergaß dabei fast ganz die Heilige selber, über deren lang vergangenes Leben ich mehr erfahren wollte. Statt dessen gab ich immer mehr der Faszination durch die starke Präsenz der fotografierten Frauen nach. Wo sollte ich denn etwas über Elisabeth von Thüringen erfahren, wenn nicht in dieser Vielfalt lebendiger Zeuginnen, die alle etwas von der Heiligen verkörperten und ausstrahlten?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=2620
weiterlesen...