Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Liebst Du Gott, oder übst Du Religion?“ lese ich bei Paul Coutinho, einem indischen Jesuiten. Diese Frage trifft mich wie ein Blitz. O weh, wie würde ich das beantworten?

 Als ich ein Kind war, liebte ich Gott wie ein Kind das tun kann, ganz und gar und mit heißem Herzen. Alles, was in der Kirche los war, hat mich gefesselt. Zweifel kamen später, viel später in der Pubertät, als Schülerin, Studentin. Dann aber stand alles in Frage, auch alles, was bisher Halt gegeben hatte. Ich selbst, Familie, Gesellschaft, Kirche und Glaube….musste alles erst neu zusammengesetzt werden. Nächtelang haben wir diskutiert unter Freunden und Kollegen, haben uns in ehrenamtliche Arbeit gestürzt. Tatsächlich, in diesen Jahren habe ich eher Religion geübt. Die sozialen Regeln der 10  Gebote, das theologische Wissen, Jesus der Sozialrevolutionär: das war Glauben als intellektuelle Auseinandersetzung. Das braucht es auch, um erwachsen zu werden.  Um im Glauben erwachsen zu werden. So ein bisschen Kinderwissen reicht da nicht aus.

Irgendwann aber merkte ich: das hat ja auf Dauer für mich keine Wurzeln. Da fehlt etwas. Die entscheidende Frage ist doch:  Wie hilft der Glaube dem Leben? Was lässt mich hoffen und lieben? Woher kommt Kraft? Und wie finde ich zu den Quellen? Was hat Gott mit mir vor? Und wieder, fast unbemerkt, begann ein neuer Weg. Ich habe gemerkt, dass mir das Herz aufgeht beim Beten. Dass ich gern zum Gottesdienst gehe, und mich nachher irgendwie froher fühle. Dass es wunderbar ist, mit Gleichgesinnten über den Glauben zu sprechen und  Erfahrungen zu teilen. Die Worte der Bibel höre ich jetzt anders. Sie gelten mir, sie sind Zuspruch - und sie geben mir Aufgaben mit, für mein Leben. Immer wieder kommen auch Fragen auf, und ich zweifle. Hört Gott mich wirklich?  Oder mache ich mir da was vor? Es gibt nicht „die eine Sicherheit“ im Glauben. Am allermeisten habe ich deshalb gelernt beim Zuhören – wie andere glauben, leben, Gott lieben. Wenn miteinander über den Glauben gesprochen wird. Dann  kann ich etwas davon fühlen, wie Gott jeden einzelnen liebt. Und wie die anderen darauf antworten. 

„Liebst du Gott, oder übst du Religion?“ bleibt eine spannende Frage.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26179
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