Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Ein stiller Tag heute. Der Karsamstag. Eigentlich. Für viele ist heute wohl eher ein stressiger Tag. Schließlich steht Ostern vor der Tür. Und damit auch zwei Feiertage. Tage, an denen kein Geschäft aufhat, Tage, an denen Besuche anstehen, Tage, an denen viel gegessen und getrunken wird. Und das muss schließlich vorbereitet werden. War also nichts mit dem stillen Tag.

In der sogenannten Heiligen Woche, der Woche zwischen Palmsonntag und der Osternacht, ist der Karsamstag trotzdem der stillste Tag. Der Tag der Grabesruhe. Grabesruhe. Ein Ausdruck, der bis heute gebraucht wird. Wenn einer eine peinliche Bemerkung macht. Und plötzlich eine tiefe Stille eintritt. Bis einer wieder was sagt – und das Gespräch weiter geht.

Der Karsamstag ist für die Stille da. An diesem Tag soll einmal bewusst kein Gespräch weitergehen. Es soll eine Grabesruhe herrschen. Auch in der Kirche. Deshalb gibt es heute keinen Gottesdienst. Deshalb schweigen heute alle Kirchenglocken und auch alle Orgeln.

Mir gefällt dieser Tag. Weil er unterbricht. Weil er sich dagegen sträubt, dass immer alles so schnell weitergeht. Dass immer noch schnell irgendwas erledigt und getan und gemacht werden muss.

Mir gefällt das auch deshalb, weil ich erlebe, dass das Leben tatsächlich nicht immer einfach so weitergeht. Da stirbt der geliebte Vater, da wird jemand durch einen Unfall schwer verletzt, da wird man verraten und enttäuscht. Da geht das Leben nicht einfach so weiter. Da halte ich inne. Da muss ich mit der Trauer, dem Verlust, dem Schmerz fertig werden. Und dafür brauche ich Zeit. Da schwebe ich dazwischen.

Der Karsamstag erinnert daran. Zwischen dem Tod am Karfreitag und dem Leben in der Osternacht ist er der Tag, der für die Stille zwischen aller Hektik steht. Ein Tag, der für das Dazwischen eine Lanze bricht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26173
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