SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Ich habe Gott vergeben.“ Was für ein Satz. Und ich ahne, dass davor ein langer Weg lag, bis Lea so etwas hat sagen können. „Ich habe Gott vergeben.“

Zuerst hat sie um ihren Mann getrauert. Einige Jahre lang. Nach Jahren der Krankheit, war er gestorben. Sie hat ihn sehr vermisst. Wir haben oft darüber gesprochen, dass sie Gott Vorhaltungen macht deswegen. „Ich schimpfe mit Gott,“ hat sie mir erzählt. „Ich werfe ihm meinen ganzen Zorn vor die Füße und meine ganze Trauer und Verzweiflung. Und manchmal geht es mir hinterher besser. Ich hoffe, dass er sich das anhört und mich nicht noch tiefer fallen lässt.“

Dann konnte sie doch wenigstens hoffen, dass Gott in irgendeiner Form eine Antwort für sie hat. Lea hatte das Gefühl, dass Gott es aushält, dass sie wütend ist auf ihn.

Mit der Zeit hat sie die Trauer um ihren Mann etwas besser verkraftet. Sie hat sich wieder neuen Aufgaben gestellt. Ausgerechnet um zwei Flüchtlinge hat sie sich gekümmert, junge Männer, die Schlimmes erlebt hatten: Krieg und Tod. Sie hatten ihre Heimat verloren. Lea ist so etwas wie eine große Schwester für sie geworden. Hat den einen zum Fußballverein gebracht und den andern in den Posaunenchor. Sie hat es fertiggebracht, dass das ganze Dorf mit den beiden jungen Männern Freundschaft geschlossen hat. Der Tod, der Krieg, die schlimmen Erlebnisse - das sollte nicht das letzte Wort behalten im Leben ihrer Schützlinge. Das war Lea wichtig.

Aber dann ist sie selbst krankgeworden. Und ich hatte das Gefühl, jetzt geht alles wieder von vorne los: Ihre ganze Verzweiflung, ihre Wut, ihre Zweifel, ob sie das aushalten kann. „In mir tobt ein Krieg“, hat sie mal zu mir gesagt. Und es war nicht ganz klar, ob sie den Krebs damit gemeint hat oder den Kampf mit Gott.

„Ich habe Gott vergeben.“ Ihre Stimme ist war dann schon sehr schwach, als sie das gesagt hat. Und sie hatte auch nicht mehr die Kraft, viel zu erklären. Aber sie hat am Ende ihren Frieden gemacht mit Gott. Sie hat annehmen können, dass er so viele große Aufgaben für sie gehabt hat. Vieles ist ihr schwer gefallen dabei. Und doch hat sie wohl schließlich akzeptiert, was Gott ihr zugemutet hat. „Ich habe Gott vergeben.“ Was für ein großer Satz. Er hat mich sehr bewegt, und er hat mich getröstet, als ich mich von ihr verabschiedet habe.

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