SWR3 Gedanken

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Annettes Mutter ist gestorben. Das kam nicht unerwartet. Ganze fünf Jahre ist es her seit der Diagnose: Alzheimer! Und das mit Ende vierzig! In diesen fünf Jahren hatte Annette erlebt, wie ihre Mutter vom Leben Abschied nehmen musste. Wie sie zum Pflegefall wurde. Wie sie ihre Familie nicht mehr erkannte. Wie sie schließlich nicht mehr essen oder trinken wollte und gestorben ist.

Annette hat gedacht, dass sie auf den Tod vorbereitet ist. Dass sie ihn vielleicht sogar als Erlösung verstehen könnte. Doch dann war alles anders. Der Tod war ein Schock. Und Annette wurde von der Heftigkeit ihrer Trauer überrollt. Drei Tage und drei Nächte war sie im Ausnahmezustand. Sie wollte und konnte nicht reden und redete dann ununterbrochen am Telefon mit ihrer Freundin. Sie fühlte sich alleine und einsam, obwohl sie doch von Menschen, Freunden und Familie umgeben war. Sie schimpfte sich egoistisch, stellte sich ihren eigenen Tod vor, dachte über das Leben und den Tod nach. Nur Weinen konnte sie nicht. Wie versteinert hat sie sich gefühlt. Fast, als wäre sie mitgestorben.

Dann war die Beerdigung. Alle versammelten sich draußen vor dem Grab. Der Sarg wurde langsam in die Erde gelassen.  Die Pfarrerin sagte: „Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub“ und die Erde rieselte auf den Sarg. Da löste sich auf einmal die Versteinerung. Die Tränen liefen und sie dachte: „Die Zeit mit meiner Mutter ist zu Ende, ab jetzt beginnt die Zeit ohne Mutter. Ab heute fängt eine neue Zeit an“ Und da spürte sie wieder Leben, mitten im Tod.

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