SWR2 Wort zum Tag

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Seit Weihnachten trage ich ein Kreuz. So ein kleines, goldenes, an einer Halskette. Früher mal bekamen so etwas die Kinder zur Kommunion oder zur Konfirmation. Aber ein Kreuz um den Hals trägt heute kaum noch einer. Der Händler in Berlin, wo ich meins gekauft habe, hatte zwischen angelaufenen Zuckerdosen und alten Armbanduhren ein ganzes Sortiment von Kreuzen: große, kleine, verzierte, aus Gold, aus Silber, oder mit blinkenden Strass-Steinen drauf. Niemand braucht die mehr. Kein Wunder, in der Hauptstadt gibt es ja auch nicht mehr viele Christen, weniger als ein Drittel der Bewohner gehören da noch der christlichen Kirche an.

Allerdings wirklich billig war mein Kreuz dann doch nicht. Und damit fängt schon das ganze Dilemma an: Darf man überhaupt in so etwas investieren, wenn man weiß, dass es in der Bibel heißt: Alles, was ihr habt, gebt den Armen? Davon gibt es ja auch mehr als genug in Berlin. Für das Kreuz hätte man locker etliche Portionen Currywurst mit Pommes kaufen können.

Und weiter: Mit dem Kreuz trägt man ja auch alles Üble, wofür es jemals eingesetzt wurde, mit sich herum. Angefangen bei der Schlacht an der Milvischen Brücke, 312  nach Christus. „In diesem Zeichen siege“, hatte Kaiser Konstantin geträumt und das Kreuzzeichen auf die Schilde seiner Soldaten malen lassen. Tatsächlich siegten sie mit dem Kreuzzeichen,  das heißt, sie beförderten die gegnerischen  Soldaten erfolgreich ins Jenseits. Zudem hatte der in Religionsfragen so tolerante Kaiser Konstatin seinen Sohn und seine Frau auf dem Gewissen. So weit so schlecht.

Das Kreuz steht aber auch für all das Schöne, das der Glaube geschaffen hat und all das Gute. Vor allem aber für den, der gesagt hat: Vergebt einander und kümmert euch umeinander, wenn ihr Hilfe braucht. Denkt euch Gott als einen guten Vater. Und: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Aber es fängt in ihr an.

Eine kleine Guillotine würde ich mir nicht um den Hals hängen, ein Kreuz aber schon. Das Kreuz steht nicht nur für das ganze rätselvolle Menschenleben mit seinen Idealen und den verdrehten Umsetzungen dieser Ideale. Es erinnert auch daran, dass Christen, Männer und Frauen und Kinder, freie Menschen sind. Befreit durch den Glauben an Jesus, durch den das Kreuz zum Zeichen der Erlösung wurde.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26142
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