SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Vielleicht ist es nur ein neues Geschäftsmodell für die Post.
Aber egal – es trifft offenbar einen gesellschaftlichen Bedarf.
Jedenfalls bietet La Poste in Frankreich es schon an:
Veiller sur mes parents – Auf meine Eltern achten heißt es;
kostet ab knapp 20 Euro die Woche.
Bestellen sollen das vor allem Töchter und Söhne,
die zu weit weg leben, um ihre alten Leute regelmäßig zu besuchen.

Für die 20 Euro
klingelt einmal pro Woche der Briefträger oder die Zustellerin
beim alten Vater oder bei der alten Mutter oder Tante.
Für gut zehn Minuten sprechen sie mit dem alten Menschen,
erzählen kleine Geschichten,
helfen, amtliche Post zu verstehen und zu beantworten –
oder schreiben einfach den Einkaufszettel.
Das Wichtigste aber: zehn Minuten Gesellschaft für jemand,
die oder der ansonsten sieben Tage die Woche einsam ist.
Den Service gibt‘s auch zwei- oder dreimal die Woche oder sogar jeden Tag – dann kostet’s ein bisschen mehr.
Und die Postleute hatten wohl wenigstens eine bescheidene Einführung;
wissen also, worauf sie achten und was sie tun und lassen sollten,
wenn es wirklich helfen soll.
Und nach jedem Zehn-Minuten-Besuch geht per SmartPhone-App
ein kurzer Bericht an die Angehörigen in der Ferne.
Und die werden ja hoffentlich auch weiterhin telefonieren
und zu Besuch kommen…

Geht’s noch, habe ich mich gefragt –
auf den ersten Blick ist es doch wohl absurd.
Andererseits: Immer mehr Menschen sind zu einsam.
In Großbritannien gibt es jetzt eine Minister for Lonelyness –
eine Ministerin für das Thema Einsamkeit.
Einsamkeit, hat ein Gesundheitspolitiker gesagt,
Einsamkeit reduziert bei Menschen über sechzig
die Lebenserwartung genau so sehr wie starkes Rauchen.
Nur: Ob da wirklich die Ministerin in London was dagegen tun kann –
oder irgendwelche politischen Maßnahmen der neuen Bundesregierung?
Naja – wenn sie gute Ideen hätten…

Die Menschen könnten aber auch einfach selbst wieder mehr darauf achten,
wie es ihnen selbst und wie es den anderen geht.
Dass Nachbarinnen auch mal ein bisschen mehr als nur „guten Morgen“ sagen,
statt im Treppenhaus oder auf der Gasse aneinander vorbeizulaufen –
die Einsamkeit zu stoppen, geht viel einfacher als manche fürchten.

Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt –
sagt Gott in der Bibel ganz am Anfang.
Er braucht einen anderen Menschen.
Richtig erkannt – schon in der Bibel.
Und wenn heute kein Gott im Spiel ist,
der Eva dem Adam zuführt oder den Enkel der Oma:
Müssen die Menschen wohl selbst aktiv sein.
Und wo immer noch Einsamkeit droht, müssen eben die Profis ran –
im Zweifel auch die von der Post.

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