SWR2 Wort zum Tag

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Manchmal erlebe ich Menschen ganz nah, obwohl sie weit weg sind. Manchmal sogar dann, obwohl sie nicht mehr leben. Die Entfernung, sei sie zeitlich oder räumlich, wird überbrückt. Abwesende werden Anwesende. Bei manchen tut das gut.

Ab und an ist auch Dietrich Bonhoeffer so ein guter Gast. Der Theologe und Christ, den die Nazis vor 73 Jahren umgebracht haben, ganz kurz vor Kriegsende. Es gibt in diesen Zeiten viele Gründe, ihm Gegenwart einzuräumen: Wie er Widerstand geleistet hat gegen die Gewaltherrschaft in Deutschland, den Antisemitismus und die Vernichtung der Juden.

Gegen alle, die zu Tätern wurden, aber auch gegen die, die tatenlos zugeschaut haben. „Wer nicht für die Juden schreit, der darf auch nicht gregorianisch singen.“ Hat er gesagt. Mir sind diese Worte wieder sehr gegenwärtig.

Bonhoeffer ist aber auch guter Gast mit seinem Weitblick als Theologe. Und besonders auch mit seinem „unglaublichen“ persönlichen Gottvertrauen. Ja „unglaublich“, wenn ich mir vergegenwärtige, wie gefährdet sein Leben war in Nazigefangenschaft. Er wusste weder was mit ihm wird noch was mit seinen Lieben und Freund*innen draußen.

Und trotzdem konnte er ihnen schreiben:
Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar. So will ich diese Tage mit Euch leben.

Anscheinend waren für Dietrich Bonhoeffer, in seiner Zelle, seine Lieben auch anwesend. In einem Brief an seine Verlobte Maria von Wedemeyer hat er das beschrieben, wie Abwesende Anwesende werden können:
„je stiller es um mich herum geworden ist,
schreibt er, desto deutlicher habe ich die Verbindung mit Euch gespürt. …Du, die Eltern, Freunde, Ihr alle, seid mir immer ganz gegenwärtig. Eure Gebete, gute Gedanken, Bibelworte, Musikstücke, längst vergangene Gespräche bekommen Leben und Wirklichkeit wie nie zuvor. Es ist ein großes unsichtbares Reich, in dem man lebt. Und weiter schreibt er: Wenn es im alten Kinderlied von den Engeln heißt: ‘zweie die mich decken, zweie die mich wecken, so ist diese Bewahrung durch unsichtbare Mächte etwas, was wir Erwachsenen nicht weniger brauchen als Kinder.“ Soweit Dietrich Bonhoeffer.

„Von guten Mächten wunderbar geborgen“.
Wenn ich ihn recht verstehe, meint er damit auch. Abwesende können umso näher kommen und gute Gäste werden, je intensiver unsere unmittelbaren Beziehungen waren. Wenn eine Beziehung erfüllt war und ist, dann kann sie Entfernungen überbrücken. Und mich auch „virtuell“ tragen. Auch dann, wenn ich scheinbar allein bin. Und auch die gute Macht Gottes ist dann anwesend.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26093
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