SWR2 Wort zum Tag

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Wird das Leben besser, wenn wir zeigen, dass wir fehlbar sind? Wenn ich gestehe: ‘Ich hab einen Fehler gemacht. Ich stehe dazu.’ Eine breite christliche und ethische Tradition, meint das und hält dazu an: Zeig Deine Fehlbarkeit. Steh zu ihr. Das Leben wird dadurch besser. Versöhnter. Aber stimmt das auch? Stimm das noch? Leben wir in einer Kultur, die solche Fehlerehrlichkeit erträgt?

Wie ist das z.B. wenn jemand ein öffentliches Amt hat? Darf ein Politiker oder die Chefin einer Klinik zu ihren Fehlern stehen? Oder müssen sie befürchten gesellschaftlich abgestraft zu werden, wenn sie Fehler zugeben. Mit Fehlern meine ich dabei natürlich nichts, was strafrechtlich relevant wäre.

Ich empfinde Politik, Medien und auch uns als Gesellschaft im Ganzen da eher als gnadenlos. Jeder weiß zwar und sagt auch, dass jeder und jede fehlbar ist. Aber wenn es darauf ankäme, fehlerfreundlich auch mit Menschen des öffentlichen Lebens umzugehen, versagt die Kultur der Fehlerfreundlichkeit.

Dass sie doch gelingen kann, hat mir vor kurzem ausgerechnet der Profifußball gezeigt.
Timo Horn, der Torwart des 1. FC Köln, hat einen folgenschweren Fehler begangen. Einen haltbaren Ball ins Tor gelassen. Ein Fehler, nicht wieder gut zu machen. Horn hat damit die Niederlage in diesem Spiel verschuldet, aber nicht nur:  womöglich auch den Abstieg seines Clubs. Mit gravierenden Folgen. Für die Arbeitsplätze im Club, für die Fans, ihre Hoffnungen und vieles mehr.

Trotzdem hat Timo Horn sich nach dem Spiel nicht gedrückt. Er hat sich gezeigt, seinen Fehler ohne Umschweife benannt. Ohne Anflug irgendwelcher Ausflüchte: Er hätte von einem Platzfehler erzählen können. Mitspieler mitverantwortlich machen. Alles vertraute Muster, wenn uns dieses „Ich. Es war mein Fehler“ nicht über die Lippen kommen will. Weil ich die Scham über mein eigenes Versagen nicht ertrage.

Timo Horn hat zu seinem Fehler gestanden. Aber das war nur die eine Seite dieser gelingenden Fehlerkultur. Die andere haben die Kölner Fans geleistet. Noch im Stadion haben sie den Namen des Torwarts skandiert. Und deutlich gemacht. ‘Wir stehen zu Dir, lassen Dich nicht fallen. Wir sehen Dir den folgenschweren Fehler nach. Und tragen die Konsequenzen gemeinsam.’

So wünsche ich mir eine Kultur der Fehlerfreundlichkeit insgesamt. Ich glaube, wenn es in der Politik, in einer Firma, in einer Familie, in einer Beziehung gelingt, Fehler so zuzugeben, nachzusehen und die Folgen gemeinsam zu tragen. Das ist human und christlich. Und ein besseres Leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26092
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