SWR2 Wort zum Tag

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Es klingt wie ein Motto für die Fastenzeit: „Wir genießen die himmlischen Freuden, drum tun wir das Irdische meiden.“ Gustav Mahler hat das in seiner vierten Sinfonie vertont. Im letzten Satz nach einem Text von Achim von Arnim. Das Irdische zu meiden ist ja auch für viele ein Vorsatz beim Fasten. Ich kann mich dadurch stärker auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist: Das Himmlische.

So ein Fasten ist dann aber etwas ganz Anderes als ein Wellness-Fasten, bei dem ich meinen Körper auf Idealmaß bringe. Oder ein Fasten, um mit starkem Willen meine Gelüste in den Griff zu bekommen. All das richtet sich ja gegen etwas und ist per se noch nicht für etwas gut. Fasten kann auch dazu führen, dass ich ein grantiger Bruddler werde, unzufrieden, weil ich keine Freude mehr kenne. Oder ein arroganter Moralist, der auf die herabschaut, die es nicht so gut schaffen wie er. Als ob der Komponist Mahler das im Blick gehabt hätte, wird die Musik an dieser Stelle bei ihm naiv. Er zitiert das Kinderlied vom „Bi-Ba-Butzemann“ und beschreibt eine Szene im Himmel, die genau diese irdischen Freuden weckt, die ich doch eigentlich meiden wollte: Die Engel und alle möglichen Heiligen im Himmel backen und schlachten und bereiten ein üppiges Festmahl vor, immer mit den Tieren, mit denen sie in Verbindung gebracht werden: Petrus holt die Fische ein, Lukas bereitet einen Ochsen vor und Johannes schlachtet ein Lamm.

Einen Unterschied macht Mahler aber doch: Die Musik. Da heißt es nämlich: „Kein‘ Musik ist ja nicht auf Erden, die unsrer verglichen kann werden.“ Bis auf diesen Unterschied ist es scheinbar so, dass es nicht mal im Himmel ohne irdische Freuden geht. Und das ist ja auch menschlich. Ich kann mir den besten und schönsten Himmel nicht anders vorstellen, als in den Dimensionen die ich als Mensch kenne und genieße.

Aber was heißt das dann fürs Fasten? Es geht wohl nicht so sehr ums Vermeiden, als vielmehr darum, dass ich hinter den Freuden, die ich mir gönne, mehr sehe: Ich kann ja noch so gut und viel essen, ich werde immer wieder neu hungrig. Das müsste im Himmel doch anders sein. Da müsste ich doch auf eine andere Art satt werden können. Nicht nur satt an Essen. Ich habe ja auch Hunger nach Gerechtigkeit. Denn als Christ kann mir schon der Appetit vergehen, wenn ich weiß, dass nicht alle Menschen etwas zu essen haben. Zu den himmlischen Freuden komme ich vermutlich gar nicht so sehr durchs Vermeiden, sondern eher, wenn ich das, was ich jetzt esse, mit anderen teile.

Vielleicht geht das in die Richtung, von dem, was der Komponist Mahler sagt:  Die Musik kann man nicht mit den irdischen Freuden vergleichen. Bei der Musik bleibt kein schaler Nachgeschmack, wenn ich sie genieße. Und alle können satt an ihr werden, wenn wir sie gemeinsam genießen. Sogar wenn sie verklungen ist, wirkt sie noch erfüllend.

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